Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Und in diese aufgeschlossene Welt kam ich
genesen zurück und so froh; ich wollte immer
rufen: ich habe dich wieder, du helle Sonne,
und euch, ihr lieblichen Blumen, und ihr stol¬
zen Berge, ihr habt euch nicht verändert, und
ihr grünet wieder wie ich, ihr duftenden Bäu¬
me! -- -- In einer unendlichen Seeligkeit
schwebt' ich wie verklärt, Elisa, schwach aber
leicht und frei, ich hatte die drückende Hülle --
so war es mir -- unter die Erde gelegt und
nur das pochende Herz behalten und im ent¬
zückten Busen flossen warme Thränenquellen
gleichsam über Blumen über und bedeckten
sie hell.

"Ach Gott, sagt' ich in der großen Freude
"schreckhaft, war es denn ein bloßer Schlaf,
"das unbewegliche Ruhen der Mutter?" und
ich mußte -- lächle immer -- eh' ich weiter
gieng, wieder zu ihr hinauf. Ich schlich athem¬
los vor das Bette, bog mich horchend über sie
und die gute Mutter schloß die immer leise
schlummernden Augen langsam auf, sah mich
müde aber liebreich an und that sie, ohne sich

Titan. I. Dd

Und in dieſe aufgeſchloſſene Welt kam ich
geneſen zurück und ſo froh; ich wollte immer
rufen: ich habe dich wieder, du helle Sonne,
und euch, ihr lieblichen Blumen, und ihr ſtol¬
zen Berge, ihr habt euch nicht verändert, und
ihr grünet wieder wie ich, ihr duftenden Bäu¬
me! — — In einer unendlichen Seeligkeit
ſchwebt' ich wie verklärt, Eliſa, ſchwach aber
leicht und frei, ich hatte die drückende Hülle —
ſo war es mir — unter die Erde gelegt und
nur das pochende Herz behalten und im ent¬
zückten Buſen floſſen warme Thränenquellen
gleichſam über Blumen über und bedeckten
ſie hell.

„Ach Gott, ſagt' ich in der großen Freude
„ſchreckhaft, war es denn ein bloßer Schlaf,
„das unbewegliche Ruhen der Mutter?“ und
ich mußte — lächle immer — eh' ich weiter
gieng, wieder zu ihr hinauf. Ich ſchlich athem¬
los vor das Bette, bog mich horchend über ſie
und die gute Mutter ſchloß die immer leiſe
ſchlummernden Augen langſam auf, ſah mich
müde aber liebreich an und that ſie, ohne ſich

Titan. I. Dd
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0437" n="417"/>
          <p>Und in die&#x017F;e aufge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Welt kam ich<lb/>
gene&#x017F;en zurück und &#x017F;o froh; ich wollte immer<lb/>
rufen: ich habe dich wieder, du helle Sonne,<lb/>
und euch, ihr lieblichen Blumen, und ihr &#x017F;tol¬<lb/>
zen Berge, ihr habt euch nicht verändert, und<lb/>
ihr grünet wieder wie ich, ihr duftenden Bäu¬<lb/>
me! &#x2014; &#x2014; In einer unendlichen Seeligkeit<lb/>
&#x017F;chwebt' ich wie verklärt, Eli&#x017F;a, &#x017F;chwach aber<lb/>
leicht und frei, ich hatte die drückende Hülle &#x2014;<lb/>
&#x017F;o war es mir &#x2014; <choice><sic>nnter</sic><corr>unter</corr></choice> die Erde gelegt und<lb/>
nur das pochende Herz behalten und im ent¬<lb/>
zückten Bu&#x017F;en flo&#x017F;&#x017F;en warme Thränenquellen<lb/>
gleich&#x017F;am über Blumen über und bedeckten<lb/>
&#x017F;ie hell.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ach Gott, &#x017F;agt' ich in der großen Freude<lb/>
&#x201E;&#x017F;chreckhaft, war es denn ein bloßer Schlaf,<lb/>
&#x201E;das unbewegliche Ruhen der Mutter?&#x201C; und<lb/>
ich mußte &#x2014; lächle immer &#x2014; eh' ich weiter<lb/>
gieng, wieder zu ihr hinauf. Ich &#x017F;chlich athem¬<lb/>
los vor das Bette, bog mich horchend über &#x017F;ie<lb/>
und die gute Mutter &#x017F;chloß die immer lei&#x017F;e<lb/>
&#x017F;chlummernden Augen lang&#x017F;am auf, &#x017F;ah mich<lb/>
müde aber liebreich an und that &#x017F;ie, ohne &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Titan. I. Dd<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[417/0437] Und in dieſe aufgeſchloſſene Welt kam ich geneſen zurück und ſo froh; ich wollte immer rufen: ich habe dich wieder, du helle Sonne, und euch, ihr lieblichen Blumen, und ihr ſtol¬ zen Berge, ihr habt euch nicht verändert, und ihr grünet wieder wie ich, ihr duftenden Bäu¬ me! — — In einer unendlichen Seeligkeit ſchwebt' ich wie verklärt, Eliſa, ſchwach aber leicht und frei, ich hatte die drückende Hülle — ſo war es mir — unter die Erde gelegt und nur das pochende Herz behalten und im ent¬ zückten Buſen floſſen warme Thränenquellen gleichſam über Blumen über und bedeckten ſie hell. „Ach Gott, ſagt' ich in der großen Freude „ſchreckhaft, war es denn ein bloßer Schlaf, „das unbewegliche Ruhen der Mutter?“ und ich mußte — lächle immer — eh' ich weiter gieng, wieder zu ihr hinauf. Ich ſchlich athem¬ los vor das Bette, bog mich horchend über ſie und die gute Mutter ſchloß die immer leiſe ſchlummernden Augen langſam auf, ſah mich müde aber liebreich an und that ſie, ohne ſich Titan. I. Dd

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/437
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/437>, abgerufen am 22.11.2024.