Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

stand und solchen unaufhörlich steilrecht (nicht
schief) durch die Haare führte. Er sagte stets,
er wüßte nichts was ihn so aufheiterte und
öffnete als Bürste und Kamm. Vor dem
Bette stand van Swieten in einem dicken Pelze,
den der Züchtling, bei warmem Wetter und
schlimmer Aufführung tragen mußte, um darin
sowohl ausgelacht als halb gekocht zu werden.

Zwei Mädchen warteten in voller Sonn¬
tagsgalla da und gedachten aufs Land zu
einer Pfarrtochter und in die Dorfkirche; diese
klopfte er erst von Glied zu Glied mit dem
Hammer des Gesetzes ab. Er stellte seine Kin¬
der, als Gegenfüßler römischer Beklagter in
Lumpen, gern in Manschetten und Quasten und
galonnirt auf die Pillory, besonders vor
Fremden. Der Graf hatte sich schon längst
der rothen Kinder wegen gegen das offne Fen¬
ster gekehrt; konnte sich aber doch nicht enthal¬
ten lateinisch zu sagen: "wär' er sein Kind,
"er hätte sich längst umgebracht; er kenne
"nichts mehr beschämendes als im Putze ge¬
"scholten zu werden." -- "Desto tiefer (sagte
"Sphex deutsch) greift es eben ein" und holte

Titan. I. Cc

ſtand und ſolchen unaufhörlich ſteilrecht (nicht
ſchief) durch die Haare führte. Er ſagte ſtets,
er wüßte nichts was ihn ſo aufheiterte und
öffnete als Bürſte und Kamm. Vor dem
Bette ſtand van Swieten in einem dicken Pelze,
den der Züchtling, bei warmem Wetter und
ſchlimmer Aufführung tragen mußte, um darin
ſowohl ausgelacht als halb gekocht zu werden.

Zwei Mädchen warteten in voller Sonn¬
tagsgalla da und gedachten aufs Land zu
einer Pfarrtochter und in die Dorfkirche; dieſe
klopfte er erſt von Glied zu Glied mit dem
Hammer des Geſetzes ab. Er ſtellte ſeine Kin¬
der, als Gegenfüßler römiſcher Beklagter in
Lumpen, gern in Manſchetten und Quaſten und
galonnirt auf die Pillory, beſonders vor
Fremden. Der Graf hatte ſich ſchon längſt
der rothen Kinder wegen gegen das offne Fen¬
ſter gekehrt; konnte ſich aber doch nicht enthal¬
ten lateiniſch zu ſagen: „wär' er ſein Kind,
„er hätte ſich längſt umgebracht; er kenne
„nichts mehr beſchämendes als im Putze ge¬
„ſcholten zu werden.“ — „Deſto tiefer (ſagte
„Sphex deutſch) greift es eben ein“ und holte

Titan. I. Cc
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0421" n="401"/>
&#x017F;tand und &#x017F;olchen unaufhörlich &#x017F;teilrecht (nicht<lb/>
&#x017F;chief) durch die Haare führte. Er &#x017F;agte &#x017F;tets,<lb/>
er wüßte nichts was ihn &#x017F;o aufheiterte und<lb/>
öffnete als Bür&#x017F;te und Kamm. Vor dem<lb/>
Bette &#x017F;tand van Swieten in einem dicken Pelze,<lb/>
den der Züchtling, bei warmem Wetter und<lb/>
&#x017F;chlimmer Aufführung tragen mußte, um darin<lb/>
&#x017F;owohl ausgelacht als halb gekocht zu werden.</p><lb/>
          <p>Zwei Mädchen warteten in voller Sonn¬<lb/>
tagsgalla da und gedachten aufs Land zu<lb/>
einer Pfarrtochter und in die Dorfkirche; die&#x017F;e<lb/>
klopfte er er&#x017F;t von Glied zu Glied mit dem<lb/>
Hammer des Ge&#x017F;etzes ab. Er &#x017F;tellte &#x017F;eine Kin¬<lb/>
der, als Gegenfüßler römi&#x017F;cher Beklagter in<lb/>
Lumpen, gern in Man&#x017F;chetten und Qua&#x017F;ten und<lb/>
galonnirt auf die Pillory, be&#x017F;onders vor<lb/>
Fremden. Der Graf hatte &#x017F;ich &#x017F;chon läng&#x017F;t<lb/>
der rothen Kinder wegen gegen das offne Fen¬<lb/>
&#x017F;ter gekehrt; konnte &#x017F;ich aber doch nicht enthal¬<lb/>
ten lateini&#x017F;ch zu &#x017F;agen: &#x201E;wär' er &#x017F;ein Kind,<lb/>
&#x201E;er hätte &#x017F;ich läng&#x017F;t umgebracht; er kenne<lb/>
&#x201E;nichts mehr be&#x017F;chämendes als im Putze ge¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;cholten zu werden.&#x201C; &#x2014; &#x201E;De&#x017F;to tiefer (&#x017F;agte<lb/>
&#x201E;Sphex deut&#x017F;ch) greift es eben ein&#x201C; und holte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Titan. <hi rendition="#aq">I</hi>. Cc<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[401/0421] ſtand und ſolchen unaufhörlich ſteilrecht (nicht ſchief) durch die Haare führte. Er ſagte ſtets, er wüßte nichts was ihn ſo aufheiterte und öffnete als Bürſte und Kamm. Vor dem Bette ſtand van Swieten in einem dicken Pelze, den der Züchtling, bei warmem Wetter und ſchlimmer Aufführung tragen mußte, um darin ſowohl ausgelacht als halb gekocht zu werden. Zwei Mädchen warteten in voller Sonn¬ tagsgalla da und gedachten aufs Land zu einer Pfarrtochter und in die Dorfkirche; dieſe klopfte er erſt von Glied zu Glied mit dem Hammer des Geſetzes ab. Er ſtellte ſeine Kin¬ der, als Gegenfüßler römiſcher Beklagter in Lumpen, gern in Manſchetten und Quaſten und galonnirt auf die Pillory, beſonders vor Fremden. Der Graf hatte ſich ſchon längſt der rothen Kinder wegen gegen das offne Fen¬ ſter gekehrt; konnte ſich aber doch nicht enthal¬ ten lateiniſch zu ſagen: „wär' er ſein Kind, „er hätte ſich längſt umgebracht; er kenne „nichts mehr beſchämendes als im Putze ge¬ „ſcholten zu werden.“ — „Deſto tiefer (ſagte „Sphex deutſch) greift es eben ein“ und holte Titan. I. Cc

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/421
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/421>, abgerufen am 25.11.2024.