Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Frau) als für den der darauf sitzt, wie in Schall¬
gewölben die Leute in fernen Winkeln alles
laut vernehmen, nur der nicht, der in der
Mitte steht. Der deutsche Herr war also im
Hohenfliesser Systeme die wichtige Pfortader
und Lungenpulsader, womit auch Froulay sich
wässern wollte. Dieser mußte durchaus der
Gegenwart und der Zukunft oder zweien Her¬
ren dienen, von denen der Haarhaarer sehr
bald seiner werden konnte.

Bouverot war nicht bloß an Froulay den
Minister, sondern auch den Vater geknüpft;
ein Mann wie er, der sich aus Italien ein
ganzes Kunstkabinet nachfahren lasset und des¬
sen Kunst-Kenntnisse eben ihn und den Fürsten
so lange verknüpfen, mußte eine Madonna
von solcher Karnazion wie Liane und aus der
römischen Schule und die noch dazu von der
Leinwand abgelöset sich als eine volle ath¬
mende Rose bewegte, ein solcher mußte derglei¬
chen zu schätzen wissen. Heirathen konnt' er
die Rose nicht wollen, da er deutscher Herr war.

Er hatte sie seit seiner welschen Reise nicht
gesehen -- der Graf auch nicht -- beiden wollte

Frau) als für den der darauf ſitzt, wie in Schall¬
gewölben die Leute in fernen Winkeln alles
laut vernehmen, nur der nicht, der in der
Mitte ſteht. Der deutſche Herr war alſo im
Hohenflieſſer Syſteme die wichtige Pfortader
und Lungenpulsader, womit auch Froulay ſich
wäſſern wollte. Dieſer mußte durchaus der
Gegenwart und der Zukunft oder zweien Her¬
ren dienen, von denen der Haarhaarer ſehr
bald ſeiner werden konnte.

Bouverot war nicht bloß an Froulay den
Miniſter, ſondern auch den Vater geknüpft;
ein Mann wie er, der ſich aus Italien ein
ganzes Kunſtkabinet nachfahren laſſet und des¬
ſen Kunſt-Kenntniſſe eben ihn und den Fürſten
ſo lange verknüpfen, mußte eine Madonna
von ſolcher Karnazion wie Liane und aus der
römiſchen Schule und die noch dazu von der
Leinwand abgelöſet ſich als eine volle ath¬
mende Roſe bewegte, ein ſolcher mußte derglei¬
chen zu ſchätzen wiſſen. Heirathen konnt' er
die Roſe nicht wollen, da er deutſcher Herr war.

Er hatte ſie ſeit ſeiner welſchen Reiſe nicht
geſehen — der Graf auch nicht — beiden wollte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0392" n="372"/>
Frau) als für den der darauf &#x017F;itzt, wie in Schall¬<lb/>
gewölben die Leute in fernen Winkeln alles<lb/>
laut vernehmen, nur der nicht, der in der<lb/>
Mitte &#x017F;teht. Der deut&#x017F;che Herr war al&#x017F;o im<lb/>
Hohenflie&#x017F;&#x017F;er Sy&#x017F;teme die wichtige Pfortader<lb/>
und Lungenpulsader, womit auch Froulay &#x017F;ich<lb/>&#x017F;&#x017F;ern wollte. Die&#x017F;er mußte durchaus der<lb/>
Gegenwart und der Zukunft oder zweien Her¬<lb/>
ren dienen, von denen der Haarhaarer &#x017F;ehr<lb/>
bald &#x017F;einer werden konnte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Bouverot</hi> war nicht bloß an Froulay den<lb/>
Mini&#x017F;ter, &#x017F;ondern auch den Vater geknüpft;<lb/>
ein Mann wie er, der &#x017F;ich aus Italien ein<lb/>
ganzes Kun&#x017F;tkabinet nachfahren la&#x017F;&#x017F;et und des¬<lb/>
&#x017F;en Kun&#x017F;t-Kenntni&#x017F;&#x017F;e eben ihn und den Für&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;o lange verknüpfen, mußte eine Madonna<lb/>
von &#x017F;olcher Karnazion wie Liane und aus der<lb/>
römi&#x017F;chen Schule und die noch dazu von der<lb/>
Leinwand abgelö&#x017F;et &#x017F;ich als eine volle ath¬<lb/>
mende Ro&#x017F;e bewegte, ein &#x017F;olcher mußte derglei¬<lb/>
chen zu &#x017F;chätzen wi&#x017F;&#x017F;en. Heirathen konnt' er<lb/>
die Ro&#x017F;e nicht wollen, da er deut&#x017F;cher Herr war.</p><lb/>
          <p>Er hatte &#x017F;ie &#x017F;eit &#x017F;einer wel&#x017F;chen Rei&#x017F;e nicht<lb/>
ge&#x017F;ehen &#x2014; der Graf auch nicht &#x2014; beiden wollte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0392] Frau) als für den der darauf ſitzt, wie in Schall¬ gewölben die Leute in fernen Winkeln alles laut vernehmen, nur der nicht, der in der Mitte ſteht. Der deutſche Herr war alſo im Hohenflieſſer Syſteme die wichtige Pfortader und Lungenpulsader, womit auch Froulay ſich wäſſern wollte. Dieſer mußte durchaus der Gegenwart und der Zukunft oder zweien Her¬ ren dienen, von denen der Haarhaarer ſehr bald ſeiner werden konnte. Bouverot war nicht bloß an Froulay den Miniſter, ſondern auch den Vater geknüpft; ein Mann wie er, der ſich aus Italien ein ganzes Kunſtkabinet nachfahren laſſet und des¬ ſen Kunſt-Kenntniſſe eben ihn und den Fürſten ſo lange verknüpfen, mußte eine Madonna von ſolcher Karnazion wie Liane und aus der römiſchen Schule und die noch dazu von der Leinwand abgelöſet ſich als eine volle ath¬ mende Roſe bewegte, ein ſolcher mußte derglei¬ chen zu ſchätzen wiſſen. Heirathen konnt' er die Roſe nicht wollen, da er deutſcher Herr war. Er hatte ſie ſeit ſeiner welſchen Reiſe nicht geſehen — der Graf auch nicht — beiden wollte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/392
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/392>, abgerufen am 25.11.2024.