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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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te -- und er hörte hinter seiner lichtern Binde
die frohen Entdeckungen der Freunde, die in
den offnen Städten der Ufer das Menschenge¬
wühl aufleben und an den Wasserfällen der
Berge bald Himmelsroth bald Nebel wechseln
sahen. -- Endlich hieng die zerlegte Mor¬
genröthe als eine Fruchtschnur von Hesperiden¬
äpfeln, um die fernen Kastaniengipfel; und
jetzt stiegen sie auf Isola bella aus.

Der verhangne Träumer hörte, als sie mit
ihm die zehen Terrassen des Gartens hinaufgien¬
gen, neben sich den einathmenden Seufzer des
Freudenschauders und alle schnelle Gebete des
Staunens; aber er behielt standhaft die Binde
und stieg blind von Terrasse zu Terrasse, von
Orangendüften durchzogen, von höhern freiern
Winden erfrischt, von Lorbeerzweigen umflat¬
tert -- und als sie endlich die höchste Terrasse
erstiegen hatten, unter der der See 60 Ellen
tief seine grünen Wellen schlägt, so sagte Schop¬
pe: jetzt! jetzt! -- Aber Cesara sagte: "Nein!
"Erst die Sonne!" Und der Morgenwind warf
die Sonne leuchtend durchs dunkle Gezweig em¬
por und sie flammte frei auf den Gipfeln --

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te — und er hörte hinter ſeiner lichtern Binde
die frohen Entdeckungen der Freunde, die in
den offnen Städten der Ufer das Menſchenge¬
wühl aufleben und an den Waſſerfällen der
Berge bald Himmelsroth bald Nebel wechſeln
ſahen. — Endlich hieng die zerlegte Mor¬
genröthe als eine Fruchtſchnur von Heſperiden¬
äpfeln, um die fernen Kaſtaniengipfel; und
jetzt ſtiegen ſie auf Isola bella aus.

Der verhangne Träumer hörte, als ſie mit
ihm die zehen Terraſſen des Gartens hinaufgien¬
gen, neben ſich den einathmenden Seufzer des
Freudenſchauders und alle ſchnelle Gebete des
Staunens; aber er behielt ſtandhaft die Binde
und ſtieg blind von Terraſſe zu Terraſſe, von
Orangendüften durchzogen, von höhern freiern
Winden erfriſcht, von Lorbeerzweigen umflat¬
tert — und als ſie endlich die höchſte Terraſſe
erſtiegen hatten, unter der der See 60 Ellen
tief ſeine grünen Wellen ſchlägt, ſo ſagte Schop¬
pe: jetzt! jetzt! — Aber Ceſara ſagte: „Nein!
„Erſt die Sonne!“ Und der Morgenwind warf
die Sonne leuchtend durchs dunkle Gezweig em¬
por und ſie flammte frei auf den Gipfeln —

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[19/0039] te — und er hörte hinter ſeiner lichtern Binde die frohen Entdeckungen der Freunde, die in den offnen Städten der Ufer das Menſchenge¬ wühl aufleben und an den Waſſerfällen der Berge bald Himmelsroth bald Nebel wechſeln ſahen. — Endlich hieng die zerlegte Mor¬ genröthe als eine Fruchtſchnur von Heſperiden¬ äpfeln, um die fernen Kaſtaniengipfel; und jetzt ſtiegen ſie auf Isola bella aus. Der verhangne Träumer hörte, als ſie mit ihm die zehen Terraſſen des Gartens hinaufgien¬ gen, neben ſich den einathmenden Seufzer des Freudenſchauders und alle ſchnelle Gebete des Staunens; aber er behielt ſtandhaft die Binde und ſtieg blind von Terraſſe zu Terraſſe, von Orangendüften durchzogen, von höhern freiern Winden erfriſcht, von Lorbeerzweigen umflat¬ tert — und als ſie endlich die höchſte Terraſſe erſtiegen hatten, unter der der See 60 Ellen tief ſeine grünen Wellen ſchlägt, ſo ſagte Schop¬ pe: jetzt! jetzt! — Aber Ceſara ſagte: „Nein! „Erſt die Sonne!“ Und der Morgenwind warf die Sonne leuchtend durchs dunkle Gezweig em¬ por und ſie flammte frei auf den Gipfeln — B 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/39>, abgerufen am 21.11.2024.