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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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aufgeschnittene Couverts -- der Gevatterbrief
eines Froulayschen Pachters -- eine ganze lakirte
Schäferei mit Wagen, Stallung und Haus,
mit deren lilliputischen Arkadien sie Dians Kin¬
der*) erfreuen wollen -- ein aus dem ver¬
fliegenden Stammbüchlein einer Freundinn aus¬
gerupftes Blatt, das sie mit einer getuschten
Blumenrabatte gerändert und dann mit holden
Wünschen vollgepflanzet hatte, die das Schick¬
sal aus ihrem eignen Leben weggenommen. --
-- Ach schönes Herz, wie gern wollt' ich über
alle kleine Rudera deiner lichten Vorzeit etwas
Tabellarisches entwerfen und vertheilen, hätte
sich der Lehnprobst näher darauf eingelassen!
-- Was aber mich und den Grafen am tiefsten
bewegt, ist eine aufgespannte Stickerei, auf
welche ihre Nadel wie ein Inokulirmesser an
jenem düstern Tage eine Rose mit zwei Knos¬
pen geimpfet hatte und woran nichts mehr
fehlte als die Dornen -- -- o diese zog an dei¬
nen Freudenrosen das Verhängniß nur zu weit

*) Dians Familie wohnt in Lilar.
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aufgeſchnittene Couverts — der Gevatterbrief
eines Froulayſchen Pachters — eine ganze lakirte
Schäferei mit Wagen, Stallung und Haus,
mit deren lilliputiſchen Arkadien ſie Dians Kin¬
der*) erfreuen wollen — ein aus dem ver¬
fliegenden Stammbüchlein einer Freundinn aus¬
gerupftes Blatt, das ſie mit einer getuſchten
Blumenrabatte gerändert und dann mit holden
Wünſchen vollgepflanzet hatte, die das Schick¬
ſal aus ihrem eignen Leben weggenommen. —
— Ach ſchönes Herz, wie gern wollt' ich über
alle kleine Rudera deiner lichten Vorzeit etwas
Tabellariſches entwerfen und vertheilen, hätte
ſich der Lehnprobſt näher darauf eingelaſſen!
— Was aber mich und den Grafen am tiefſten
bewegt, iſt eine aufgeſpannte Stickerei, auf
welche ihre Nadel wie ein Inokulirmeſſer an
jenem düſtern Tage eine Roſe mit zwei Knos¬
pen geimpfet hatte und woran nichts mehr
fehlte als die Dornen — — o dieſe zog an dei¬
nen Freudenroſen das Verhängniß nur zu weit

*) Dians Familie wohnt in Lilar.
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[339/0359] aufgeſchnittene Couverts — der Gevatterbrief eines Froulayſchen Pachters — eine ganze lakirte Schäferei mit Wagen, Stallung und Haus, mit deren lilliputiſchen Arkadien ſie Dians Kin¬ der *) erfreuen wollen — ein aus dem ver¬ fliegenden Stammbüchlein einer Freundinn aus¬ gerupftes Blatt, das ſie mit einer getuſchten Blumenrabatte gerändert und dann mit holden Wünſchen vollgepflanzet hatte, die das Schick¬ ſal aus ihrem eignen Leben weggenommen. — — Ach ſchönes Herz, wie gern wollt' ich über alle kleine Rudera deiner lichten Vorzeit etwas Tabellariſches entwerfen und vertheilen, hätte ſich der Lehnprobſt näher darauf eingelaſſen! — Was aber mich und den Grafen am tiefſten bewegt, iſt eine aufgeſpannte Stickerei, auf welche ihre Nadel wie ein Inokulirmeſſer an jenem düſtern Tage eine Roſe mit zwei Knos¬ pen geimpfet hatte und woran nichts mehr fehlte als die Dornen — — o dieſe zog an dei¬ nen Freudenroſen das Verhängniß nur zu weit *) Dians Familie wohnt in Lilar. Y 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/359>, abgerufen am 22.11.2024.