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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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hatten auf der Harfe der Ministerinn mit Füs¬
sen und Flügeln die Töne gegriffen) --; und
Julienne dachte recht schmerzlich an ihren tod¬
ten Vater in Lilar.

Endlich bat sie die Seelenschwester, mit
ihr heute nach Lilar zu fahren und das letzte
und tiefste Weh einer Waise zu theilen und zu
mildern. Sie that es willig; aber der Mini¬
sterinn war das Ja mühsam abzuringen. Ich
sehe die sanften Gestalten aus der langen Um¬
armung im Wagen, in das Trauerzimmer in
Lilar treten, die kleinere Julienne mit zucken¬
den Augen und wechselnder Farbe, Liane von
Migraine und Trauer blässer und milder und
über jene durch ihre schon vom zwölften Jahre
geschenkte Länge*) erhoben.

Wie überirrdische Wesen stralten beide die
an allen Ecken brennende Seele Roquairols an.

*) Diese frühzeitige Vollendung des Wuchses hab'
ich an mehreren ausgezeichneten Weibern be¬
merkt, gleich als sollten diese Psychen Schmet¬
terlingen gleichen, die nicht wachsen nach der
Entpuppung.

hatten auf der Harfe der Miniſterinn mit Füs¬
ſen und Flügeln die Töne gegriffen) —; und
Julienne dachte recht ſchmerzlich an ihren tod¬
ten Vater in Lilar.

Endlich bat ſie die Seelenſchweſter, mit
ihr heute nach Lilar zu fahren und das letzte
und tiefſte Weh einer Waiſe zu theilen und zu
mildern. Sie that es willig; aber der Mini¬
ſterinn war das Ja mühſam abzuringen. Ich
ſehe die ſanften Geſtalten aus der langen Um¬
armung im Wagen, in das Trauerzimmer in
Lilar treten, die kleinere Julienne mit zucken¬
den Augen und wechſelnder Farbe, Liane von
Migraine und Trauer bläſſer und milder und
über jene durch ihre ſchon vom zwölften Jahre
geſchenkte Länge*) erhoben.

Wie überirrdiſche Weſen ſtralten beide die
an allen Ecken brennende Seele Roquairols an.

*) Dieſe frühzeitige Vollendung des Wuchſes hab'
ich an mehreren ausgezeichneten Weibern be¬
merkt, gleich als ſollten dieſe Pſychen Schmet¬
terlingen gleichen, die nicht wachſen nach der
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[301/0321] hatten auf der Harfe der Miniſterinn mit Füs¬ ſen und Flügeln die Töne gegriffen) —; und Julienne dachte recht ſchmerzlich an ihren tod¬ ten Vater in Lilar. Endlich bat ſie die Seelenſchweſter, mit ihr heute nach Lilar zu fahren und das letzte und tiefſte Weh einer Waiſe zu theilen und zu mildern. Sie that es willig; aber der Mini¬ ſterinn war das Ja mühſam abzuringen. Ich ſehe die ſanften Geſtalten aus der langen Um¬ armung im Wagen, in das Trauerzimmer in Lilar treten, die kleinere Julienne mit zucken¬ den Augen und wechſelnder Farbe, Liane von Migraine und Trauer bläſſer und milder und über jene durch ihre ſchon vom zwölften Jahre geſchenkte Länge *) erhoben. Wie überirrdiſche Weſen ſtralten beide die an allen Ecken brennende Seele Roquairols an. *) Dieſe frühzeitige Vollendung des Wuchſes hab' ich an mehreren ausgezeichneten Weibern be¬ merkt, gleich als ſollten dieſe Pſychen Schmet¬ terlingen gleichen, die nicht wachſen nach der Entpuppung.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/321>, abgerufen am 25.11.2024.