Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

der Nachwinter des kalten Greises ein, Luigi.
Mit einem flachen Schnitzwerke des schwammi¬
gen Gesichts, auf dem sich nichts ausdrückte
als der ewige Mißmuth der Lebens-Verschwen¬
der, und mit einigem reifen Grauwerke auf
dem Kopfe (als Vorläufer der Weisheitszähne)
und mit der unfruchtbaren Superfötazion eines
voluminösen Unterleibes gieng er mit der grö߬
ten Höflichkeit auf Albano zu, in der ein fla¬
cher Frost gegen alle Menschen vorstand. Er
stäubte sogleich mit der Kleie von leeren schnel¬
len, unähnlichen Fragen um sich und eilte stets;
denn er hatte fast noch mehrere Langweile als
er machte, wie sich überhaupt für keinen das
Leben so widrig verlängert, als für den, der
es verkürzet. Luigi war durch die Erde so
schnell wie durch ein Puderstübchen gelaufen
und war wie in diesem, gehörig grau gewor¬
den; die Milchgefäße seines äußern und in¬
nern Menschen hatten sich, weil sie Sahne-
oder Rahmgefäße seyn sollten, eben deswegen
in Giftgefäße und Leidensbecher verkehrt. So
oft ich vor einer gemalten Fürsten-Suite in
einem Korridor vorbeigehe, so verfall' ich stets

der Nachwinter des kalten Greiſes ein, Luigi.
Mit einem flachen Schnitzwerke des ſchwammi¬
gen Geſichts, auf dem ſich nichts ausdrückte
als der ewige Mißmuth der Lebens-Verſchwen¬
der, und mit einigem reifen Grauwerke auf
dem Kopfe (als Vorläufer der Weisheitszähne)
und mit der unfruchtbaren Superfötazion eines
voluminöſen Unterleibes gieng er mit der grö߬
ten Höflichkeit auf Albano zu, in der ein fla¬
cher Froſt gegen alle Menſchen vorſtand. Er
ſtäubte ſogleich mit der Kleie von leeren ſchnel¬
len, unähnlichen Fragen um ſich und eilte ſtets;
denn er hatte faſt noch mehrere Langweile als
er machte, wie ſich überhaupt für keinen das
Leben ſo widrig verlängert, als für den, der
es verkürzet. Luigi war durch die Erde ſo
ſchnell wie durch ein Puderſtübchen gelaufen
und war wie in dieſem, gehörig grau gewor¬
den; die Milchgefäße ſeines äußern und in¬
nern Menſchen hatten ſich, weil ſie Sahne-
oder Rahmgefäße ſeyn ſollten, eben deswegen
in Giftgefäße und Leidensbecher verkehrt. So
oft ich vor einer gemalten Fürſten-Suite in
einem Korridor vorbeigehe, ſo verfall' ich ſtets

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0312" n="292"/>
der <hi rendition="#g">Nachwinter</hi> des kalten Grei&#x017F;es ein, <hi rendition="#aq">Luigi</hi>.<lb/>
Mit einem flachen Schnitzwerke des &#x017F;chwammi¬<lb/>
gen Ge&#x017F;ichts, auf dem &#x017F;ich nichts ausdrückte<lb/>
als der ewige Mißmuth der Lebens-Ver&#x017F;chwen¬<lb/>
der, und mit einigem reifen Grauwerke auf<lb/>
dem Kopfe (als Vorläufer der Weisheitszähne)<lb/>
und mit der unfruchtbaren Superfötazion eines<lb/>
voluminö&#x017F;en Unterleibes gieng er mit der grö߬<lb/>
ten Höflichkeit auf Albano zu, in der ein fla¬<lb/>
cher Fro&#x017F;t gegen alle Men&#x017F;chen vor&#x017F;tand. Er<lb/>
&#x017F;täubte &#x017F;ogleich mit der Kleie von leeren &#x017F;chnel¬<lb/>
len, unähnlichen Fragen um &#x017F;ich und eilte &#x017F;tets;<lb/>
denn er hatte fa&#x017F;t noch mehrere Langweile als<lb/>
er machte, wie &#x017F;ich überhaupt für keinen das<lb/>
Leben &#x017F;o widrig verlängert, als für den, der<lb/>
es verkürzet. <hi rendition="#aq">Luigi</hi> war durch die Erde &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chnell wie durch ein Puder&#x017F;tübchen gelaufen<lb/>
und war wie in die&#x017F;em, gehörig <hi rendition="#g">grau</hi> gewor¬<lb/>
den; die Milchgefäße &#x017F;eines äußern und in¬<lb/>
nern Men&#x017F;chen hatten &#x017F;ich, weil &#x017F;ie Sahne-<lb/>
oder Rahmgefäße &#x017F;eyn &#x017F;ollten, eben deswegen<lb/>
in Giftgefäße und Leidensbecher verkehrt. So<lb/>
oft ich vor einer gemalten Für&#x017F;ten-Suite in<lb/>
einem Korridor vorbeigehe, &#x017F;o verfall' ich &#x017F;tets<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0312] der Nachwinter des kalten Greiſes ein, Luigi. Mit einem flachen Schnitzwerke des ſchwammi¬ gen Geſichts, auf dem ſich nichts ausdrückte als der ewige Mißmuth der Lebens-Verſchwen¬ der, und mit einigem reifen Grauwerke auf dem Kopfe (als Vorläufer der Weisheitszähne) und mit der unfruchtbaren Superfötazion eines voluminöſen Unterleibes gieng er mit der grö߬ ten Höflichkeit auf Albano zu, in der ein fla¬ cher Froſt gegen alle Menſchen vorſtand. Er ſtäubte ſogleich mit der Kleie von leeren ſchnel¬ len, unähnlichen Fragen um ſich und eilte ſtets; denn er hatte faſt noch mehrere Langweile als er machte, wie ſich überhaupt für keinen das Leben ſo widrig verlängert, als für den, der es verkürzet. Luigi war durch die Erde ſo ſchnell wie durch ein Puderſtübchen gelaufen und war wie in dieſem, gehörig grau gewor¬ den; die Milchgefäße ſeines äußern und in¬ nern Menſchen hatten ſich, weil ſie Sahne- oder Rahmgefäße ſeyn ſollten, eben deswegen in Giftgefäße und Leidensbecher verkehrt. So oft ich vor einer gemalten Fürſten-Suite in einem Korridor vorbeigehe, ſo verfall' ich ſtets

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/312
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/312>, abgerufen am 23.11.2024.