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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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an und beleidigte (-- sich und andre nie --)
die Oberhofmeisterinn stets. Sie erzählte nun
dem Grafen (indem sie aus Nervenschwäche
und Lebhaftigkeit immer stärker lächelte und
schneller sprach), wie ihr lieber schwacher, mehr
kindlicher als kindischer Vater dessen alten Lip¬
pen und entkräfteten Gedanken nur noch nach¬
gelallte Gebete möglich waren, sich mit einem
eisgrauen mystischen Hofprediger in Lilar ins
Betzimmer eingeschlossen ( ein graues Haupt
verbirgt sich gern eh' es verschwindet und sucht
wie Vögel einen dunkeln Ort zum Entschlafen)
-- und wie sie und das Fräulein von Froulay
(Liane) dem halbblinden Manne abwechselnd
Gebete vorgelesen und gleichsam die Abend¬
glocke der Andacht vor dem müden schlaf¬
trunkn
en Leben angezogen. Sie malte, wie
er in diesem Vorhofe der Gruft alles Geliebte
überlebt oder vergessen habe, wie er immer
nach ihrer Mutter gefragt, deren Sterben ihm
stets von neuem entfallen und wie das verdun¬
kelte Auge jede Tageszeit für einen Abend und
daher jeden Fortgehenden für einen, der schla¬
fen gehen wolle, genommen habe.

Titan. I. T

an und beleidigte (— ſich und andre nie —)
die Oberhofmeiſterinn ſtets. Sie erzählte nun
dem Grafen (indem ſie aus Nervenſchwäche
und Lebhaftigkeit immer ſtärker lächelte und
ſchneller ſprach), wie ihr lieber ſchwacher, mehr
kindlicher als kindiſcher Vater deſſen alten Lip¬
pen und entkräfteten Gedanken nur noch nach¬
gelallte Gebete möglich waren, ſich mit einem
eisgrauen myſtiſchen Hofprediger in Lilar ins
Betzimmer eingeſchloſſen ( ein graues Haupt
verbirgt ſich gern eh' es verſchwindet und ſucht
wie Vögel einen dunkeln Ort zum Entſchlafen)
— und wie ſie und das Fräulein von Froulay
(Liane) dem halbblinden Manne abwechſelnd
Gebete vorgeleſen und gleichſam die Abend¬
glocke der Andacht vor dem müden ſchlaf¬
trunkn
en Leben angezogen. Sie malte, wie
er in dieſem Vorhofe der Gruft alles Geliebte
überlebt oder vergeſſen habe, wie er immer
nach ihrer Mutter gefragt, deren Sterben ihm
ſtets von neuem entfallen und wie das verdun¬
kelte Auge jede Tageszeit für einen Abend und
daher jeden Fortgehenden für einen, der ſchla¬
fen gehen wolle, genommen habe.

Titan. I. T
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[289/0309] an und beleidigte (— ſich und andre nie —) die Oberhofmeiſterinn ſtets. Sie erzählte nun dem Grafen (indem ſie aus Nervenſchwäche und Lebhaftigkeit immer ſtärker lächelte und ſchneller ſprach), wie ihr lieber ſchwacher, mehr kindlicher als kindiſcher Vater deſſen alten Lip¬ pen und entkräfteten Gedanken nur noch nach¬ gelallte Gebete möglich waren, ſich mit einem eisgrauen myſtiſchen Hofprediger in Lilar ins Betzimmer eingeſchloſſen ( ein graues Haupt verbirgt ſich gern eh' es verſchwindet und ſucht wie Vögel einen dunkeln Ort zum Entſchlafen) — und wie ſie und das Fräulein von Froulay (Liane) dem halbblinden Manne abwechſelnd Gebete vorgeleſen und gleichſam die Abend¬ glocke der Andacht vor dem müden ſchlaf¬ trunknen Leben angezogen. Sie malte, wie er in dieſem Vorhofe der Gruft alles Geliebte überlebt oder vergeſſen habe, wie er immer nach ihrer Mutter gefragt, deren Sterben ihm ſtets von neuem entfallen und wie das verdun¬ kelte Auge jede Tageszeit für einen Abend und daher jeden Fortgehenden für einen, der ſchla¬ fen gehen wolle, genommen habe. Titan. I. T

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/309>, abgerufen am 22.11.2024.