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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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von Feuerfoltern tobenden Herzen und kann
dir nichts sagen und nichts geben als eine von
ihr bisher heimlich gestickte Brieftasche mit der
seidnen Umschrift: gedenke unserer! -- und
selber auf deinen lorbeer-süchtigen Kopf wird
der Triumph- oder Regenbogen des Abschiedes,
wenn du unter ihm durchschreitest, schwere
schwere Tropfen werfen, (ach an den nachblik¬
kenden Augen werden sie länger hängen blei¬
ben) -- dein alter redlicher Lehrer Wehmeier
wird an dir den letzten Strom seiner Worte
und Thränen vergießen und sagen (und dein
weiches Herz wird nicht lächeln): "er sey ein al¬
"ter abgeschabter Kerl und habe nun nichts vor
"sich als das Loch (das Grab) -- du hingegen
"seyest ein frischer blutjunger Mann, voll
"Sprachen und Alterthümer und herrlicher Ta¬
"lente von Gott -- freilich werd' ers nicht er¬
"leben, daß aus dir ein berühmter Mann
"werde, aber seine Kinder wohl; und dieser
"Würmer sollest du dich einmal annehmen,
"junger Herr!" --

-- Du reine Seele, an jedem bekannten
Hause, an jedem theuren Garten und Thale

von Feuerfoltern tobenden Herzen und kann
dir nichts ſagen und nichts geben als eine von
ihr bisher heimlich geſtickte Brieftaſche mit der
ſeidnen Umſchrift: gedenke unſerer! — und
ſelber auf deinen lorbeer-ſüchtigen Kopf wird
der Triumph- oder Regenbogen des Abſchiedes,
wenn du unter ihm durchſchreiteſt, ſchwere
ſchwere Tropfen werfen, (ach an den nachblik¬
kenden Augen werden ſie länger hängen blei¬
ben) — dein alter redlicher Lehrer Wehmeier
wird an dir den letzten Strom ſeiner Worte
und Thränen vergießen und ſagen (und dein
weiches Herz wird nicht lächeln): „er ſey ein al¬
„ter abgeſchabter Kerl und habe nun nichts vor
„ſich als das Loch (das Grab) — du hingegen
„ſeyeſt ein friſcher blutjunger Mann, voll
„Sprachen und Alterthümer und herrlicher Ta¬
„lente von Gott — freilich werd' ers nicht er¬
„leben, daß aus dir ein berühmter Mann
„werde, aber ſeine Kinder wohl; und dieſer
„Würmer ſolleſt du dich einmal annehmen,
„junger Herr!“ —

— Du reine Seele, an jedem bekannten
Hauſe, an jedem theuren Garten und Thale

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[267/0287] von Feuerfoltern tobenden Herzen und kann dir nichts ſagen und nichts geben als eine von ihr bisher heimlich geſtickte Brieftaſche mit der ſeidnen Umſchrift: gedenke unſerer! — und ſelber auf deinen lorbeer-ſüchtigen Kopf wird der Triumph- oder Regenbogen des Abſchiedes, wenn du unter ihm durchſchreiteſt, ſchwere ſchwere Tropfen werfen, (ach an den nachblik¬ kenden Augen werden ſie länger hängen blei¬ ben) — dein alter redlicher Lehrer Wehmeier wird an dir den letzten Strom ſeiner Worte und Thränen vergießen und ſagen (und dein weiches Herz wird nicht lächeln): „er ſey ein al¬ „ter abgeſchabter Kerl und habe nun nichts vor „ſich als das Loch (das Grab) — du hingegen „ſeyeſt ein friſcher blutjunger Mann, voll „Sprachen und Alterthümer und herrlicher Ta¬ „lente von Gott — freilich werd' ers nicht er¬ „leben, daß aus dir ein berühmter Mann „werde, aber ſeine Kinder wohl; und dieſer „Würmer ſolleſt du dich einmal annehmen, „junger Herr!“ — — Du reine Seele, an jedem bekannten Hauſe, an jedem theuren Garten und Thale

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/287>, abgerufen am 24.11.2024.