er ließ daher zuerst Albano in den Hörsaal der Philosophie, aber im Freien außen am Fenster stehend hineinsehen und hineinhören. Er führte ihn nicht in den Steinbruch, vor die Kalkgrube und auf den Zimmerplatz der Metaphysik, son¬ dern sogleich in das damit fertig gemachte schöne Bethaus, sonst die natürliche Theologie genannt. Er ließ ihn keine eiserne Schlußkette Ring nach Ring schmieden und löthen, sondern er zeigte sie ihm als hinunterreichende Brun¬ nenkette, woran die auf dem Boden sitzende Wahrheit herauf, oder als eine vom Himmel hängende Kette, woran von den Untergöttern (den Philosophen) Jupiter heruntergezogen wer¬ den soll. Kurz das Skelett und Muskeln- Präparat der Metaphysik versteckt' er in den Gottmensch der Religion. -- -- Und so soll es (anfangs) seyn; aus der Sprache lernt man die Grammatik leichter als jene aus die¬ ser, aus den Kunstwerken leichter die Kritik, aus dem Leibe das Gerippe als umgekehrt, wiewohl man es immer umkehrt. -- Unglück¬ lich sind unsere jetzigen Jünglinge, die vom
er ließ daher zuerſt Albano in den Hörſaal der Philoſophie, aber im Freien außen am Fenſter ſtehend hineinſehen und hineinhören. Er führte ihn nicht in den Steinbruch, vor die Kalkgrube und auf den Zimmerplatz der Metaphyſik, ſon¬ dern ſogleich in das damit fertig gemachte ſchöne Bethaus, ſonſt die natürliche Theologie genannt. Er ließ ihn keine eiſerne Schlußkette Ring nach Ring ſchmieden und löthen, ſondern er zeigte ſie ihm als hinunterreichende Brun¬ nenkette, woran die auf dem Boden ſitzende Wahrheit herauf, oder als eine vom Himmel hängende Kette, woran von den Untergöttern (den Philoſophen) Jupiter heruntergezogen wer¬ den ſoll. Kurz das Skelett und Muskeln- Präparat der Metaphyſik verſteckt' er in den Gottmenſch der Religion. — — Und ſo ſoll es (anfangs) ſeyn; aus der Sprache lernt man die Grammatik leichter als jene aus die¬ ſer, aus den Kunſtwerken leichter die Kritik, aus dem Leibe das Gerippe als umgekehrt, wiewohl man es immer umkehrt. — Unglück¬ lich ſind unſere jetzigen Jünglinge, die vom
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0274"n="254"/>
er ließ daher zuerſt Albano in den Hörſaal der<lb/>
Philoſophie, aber im Freien außen am Fenſter<lb/>ſtehend hineinſehen und hineinhören. Er führte<lb/>
ihn nicht in den Steinbruch, vor die Kalkgrube<lb/>
und auf den Zimmerplatz der Metaphyſik, ſon¬<lb/>
dern ſogleich in das damit fertig gemachte<lb/>ſchöne Bethaus, ſonſt die natürliche Theologie<lb/>
genannt. Er ließ ihn keine eiſerne Schlußkette<lb/>
Ring nach Ring ſchmieden und löthen, ſondern<lb/>
er zeigte ſie ihm als hinunterreichende Brun¬<lb/>
nenkette, woran die auf dem Boden ſitzende<lb/>
Wahrheit herauf, oder als eine vom Himmel<lb/>
hängende Kette, woran von den Untergöttern<lb/>
(den Philoſophen) Jupiter heruntergezogen wer¬<lb/>
den ſoll. Kurz das <hirendition="#g">Skelett</hi> und <hirendition="#g">Muskeln-<lb/>
Präparat</hi> der Metaphyſik verſteckt' er in den<lb/><hirendition="#g">Gottmenſch</hi> der Religion. —— Und ſo ſoll<lb/>
es (anfangs) ſeyn; aus der Sprache lernt<lb/>
man die Grammatik leichter als jene aus die¬<lb/>ſer, aus den Kunſtwerken leichter die Kritik,<lb/>
aus dem Leibe das Gerippe als umgekehrt,<lb/>
wiewohl man es immer umkehrt. — Unglück¬<lb/>
lich ſind unſere jetzigen Jünglinge, die vom<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[254/0274]
er ließ daher zuerſt Albano in den Hörſaal der
Philoſophie, aber im Freien außen am Fenſter
ſtehend hineinſehen und hineinhören. Er führte
ihn nicht in den Steinbruch, vor die Kalkgrube
und auf den Zimmerplatz der Metaphyſik, ſon¬
dern ſogleich in das damit fertig gemachte
ſchöne Bethaus, ſonſt die natürliche Theologie
genannt. Er ließ ihn keine eiſerne Schlußkette
Ring nach Ring ſchmieden und löthen, ſondern
er zeigte ſie ihm als hinunterreichende Brun¬
nenkette, woran die auf dem Boden ſitzende
Wahrheit herauf, oder als eine vom Himmel
hängende Kette, woran von den Untergöttern
(den Philoſophen) Jupiter heruntergezogen wer¬
den ſoll. Kurz das Skelett und Muskeln-
Präparat der Metaphyſik verſteckt' er in den
Gottmenſch der Religion. — — Und ſo ſoll
es (anfangs) ſeyn; aus der Sprache lernt
man die Grammatik leichter als jene aus die¬
ſer, aus den Kunſtwerken leichter die Kritik,
aus dem Leibe das Gerippe als umgekehrt,
wiewohl man es immer umkehrt. — Unglück¬
lich ſind unſere jetzigen Jünglinge, die vom
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/274>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.