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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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Frühling und die Freudenthränen sanft bewe¬
gen, so zergeht sein Herz und er will die
Liebe. -- Und wer beide nie suchte, ist tau¬
sendmal ärmer als wer beide verlor. -- --

Lasset uns jetzt in die Pfingstkirche treten,
wo der tiefe Strom seiner Phantasie zum er¬
stenmale in seinem Leben übertrat und sein Herz
weit fortriß und damit in einem neuen Bette
brausete; ein physisches Gewitter hatte sich in
diesen Strom ergossen. Schon am Morgen
stand der schwarze Pulverthurm einer Gewitter¬
wolke stumm neben der heißen Sonne und
wurde an ihr glühend und nur zuweilen ent¬
fiel einer fernen fremden Wolke unter dem Got¬
tesdienste ein Schlag auf die Feuertrommel; aber
als Albano vor den Altar mit erhobnen ver¬
klärten Gefühlen trat und als er seine Liebe
für Liane nur in ein inniges Beten für sie ver¬
kleidete und in ein Gemälde ihrer heutigen An¬
dacht und ihrer blassen Gestalt im frommen
dunkeln Braut-Putze und als er sanft fühlte,
jetzt sey seine gereinigte geheiligte Seele dieser
schönen werther: so rückte das Gewitter mit
allen seinen spielenden Kriegsmaschinen und

Frühling und die Freudenthränen ſanft bewe¬
gen, ſo zergeht ſein Herz und er will die
Liebe. — Und wer beide nie ſuchte, iſt tau¬
ſendmal ärmer als wer beide verlor. — —

Laſſet uns jetzt in die Pfingſtkirche treten,
wo der tiefe Strom ſeiner Phantaſie zum er¬
ſtenmale in ſeinem Leben übertrat und ſein Herz
weit fortriß und damit in einem neuen Bette
brauſete; ein phyſiſches Gewitter hatte ſich in
dieſen Strom ergoſſen. Schon am Morgen
ſtand der ſchwarze Pulverthurm einer Gewitter¬
wolke ſtumm neben der heißen Sonne und
wurde an ihr glühend und nur zuweilen ent¬
fiel einer fernen fremden Wolke unter dem Got¬
tesdienſte ein Schlag auf die Feuertrommel; aber
als Albano vor den Altar mit erhobnen ver¬
klärten Gefühlen trat und als er ſeine Liebe
für Liane nur in ein inniges Beten für ſie ver¬
kleidete und in ein Gemälde ihrer heutigen An¬
dacht und ihrer blaſſen Geſtalt im frommen
dunkeln Braut-Putze und als er ſanft fühlte,
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[229/0249] Frühling und die Freudenthränen ſanft bewe¬ gen, ſo zergeht ſein Herz und er will die Liebe. — Und wer beide nie ſuchte, iſt tau¬ ſendmal ärmer als wer beide verlor. — — Laſſet uns jetzt in die Pfingſtkirche treten, wo der tiefe Strom ſeiner Phantaſie zum er¬ ſtenmale in ſeinem Leben übertrat und ſein Herz weit fortriß und damit in einem neuen Bette brauſete; ein phyſiſches Gewitter hatte ſich in dieſen Strom ergoſſen. Schon am Morgen ſtand der ſchwarze Pulverthurm einer Gewitter¬ wolke ſtumm neben der heißen Sonne und wurde an ihr glühend und nur zuweilen ent¬ fiel einer fernen fremden Wolke unter dem Got¬ tesdienſte ein Schlag auf die Feuertrommel; aber als Albano vor den Altar mit erhobnen ver¬ klärten Gefühlen trat und als er ſeine Liebe für Liane nur in ein inniges Beten für ſie ver¬ kleidete und in ein Gemälde ihrer heutigen An¬ dacht und ihrer blaſſen Geſtalt im frommen dunkeln Braut-Putze und als er ſanft fühlte, jetzt ſey ſeine gereinigte geheiligte Seele dieſer ſchönen werther: ſo rückte das Gewitter mit allen ſeinen ſpielenden Kriegsmaſchinen und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/249>, abgerufen am 22.11.2024.