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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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gen Männer und Sallat verhärtet -- dann
nahm sie das Recht stufenweise zurück --
macht' aber den Tadel erst auf ihrer Zunge
mild, wie die Wärterinnen das Waschwasser
der Kinder im Munde lau machen -- und sagte
zuletzt, er solle das Kind nur ihr überlassen.

Aber so schwillet uns unter der Hand der
alte Wehrfriz zu einem apokalyptischen Dra¬
chen, zu einem Thiere von Gevaudan und
Wüthriche auf; -- und er ist doch nur ein Lamm
mit zwei Hörnchen. -- Hatt' er nicht an seinem
Geburtsfeste im Karrenjahre seines fröhnenden
Lebens einen Anspruch auf einen erleichterten
Abend, wenigstens bei einem Kinde, das er
stärker liebt als seines und für das er einen
Flügel und Lehrer aufgeladen? Und hatt'
er ihm -- ob er gleich selber zuviel wagte
und ausdauerte -- es nicht hundertmal verbo¬
ten, ihm nachzuahmen und sich auf Pferde
oder in Sturmwinde, in Platzregen und
Schneegestöber zu setzen? -- Und kam er
nicht vom pädagogischen Knutenmeister, dem Mi¬
nister her dessen Erziehungsanstalt nur eine län¬
gere Realterrizion und kürzere Verdammniß war?

gen Männer und Sallat verhärtet — dann
nahm ſie das Recht ſtufenweiſe zurück —
macht' aber den Tadel erſt auf ihrer Zunge
mild, wie die Wärterinnen das Waſchwaſſer
der Kinder im Munde lau machen — und ſagte
zuletzt, er ſolle das Kind nur ihr überlaſſen.

Aber ſo ſchwillet uns unter der Hand der
alte Wehrfriz zu einem apokalyptiſchen Dra¬
chen, zu einem Thiere von Gevaudan und
Wüthriche auf; — und er iſt doch nur ein Lamm
mit zwei Hörnchen. — Hatt' er nicht an ſeinem
Geburtsfeſte im Karrenjahre ſeines fröhnenden
Lebens einen Anſpruch auf einen erleichterten
Abend, wenigſtens bei einem Kinde, das er
ſtärker liebt als ſeines und für das er einen
Flügel und Lehrer aufgeladen? Und hatt'
er ihm — ob er gleich ſelber zuviel wagte
und ausdauerte — es nicht hundertmal verbo¬
ten, ihm nachzuahmen und ſich auf Pferde
oder in Sturmwinde, in Platzregen und
Schneegeſtöber zu ſetzen? — Und kam er
nicht vom pädagogiſchen Knutenmeiſter, dem Mi¬
niſter her deſſen Erziehungsanſtalt nur eine län¬
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[156/0176] gen Männer und Sallat verhärtet — dann nahm ſie das Recht ſtufenweiſe zurück — macht' aber den Tadel erſt auf ihrer Zunge mild, wie die Wärterinnen das Waſchwaſſer der Kinder im Munde lau machen — und ſagte zuletzt, er ſolle das Kind nur ihr überlaſſen. Aber ſo ſchwillet uns unter der Hand der alte Wehrfriz zu einem apokalyptiſchen Dra¬ chen, zu einem Thiere von Gevaudan und Wüthriche auf; — und er iſt doch nur ein Lamm mit zwei Hörnchen. — Hatt' er nicht an ſeinem Geburtsfeſte im Karrenjahre ſeines fröhnenden Lebens einen Anſpruch auf einen erleichterten Abend, wenigſtens bei einem Kinde, das er ſtärker liebt als ſeines und für das er einen Flügel und Lehrer aufgeladen? Und hatt' er ihm — ob er gleich ſelber zuviel wagte und ausdauerte — es nicht hundertmal verbo¬ ten, ihm nachzuahmen und ſich auf Pferde oder in Sturmwinde, in Platzregen und Schneegeſtöber zu ſetzen? — Und kam er nicht vom pädagogiſchen Knutenmeiſter, dem Mi¬ niſter her deſſen Erziehungsanſtalt nur eine län¬ gere Realterrizion und kürzere Verdammniß war?

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/176>, abgerufen am 27.11.2024.