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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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schläfrig und betrunken wankt, bis man an
doppelseitigen Lähmungen umfällt.

Man wird es aus der ersten Jobelperiode nicht
behalten haben -- weils in einer Note stand --, daß
Alban niemals nach Pestiz durste und zwar aus
sehr guten Gründen, die dem Ritter allein bekannt
sind aber nicht mir. Dieser lange Thorschluß
der Stadt schärfte nur seine Sehnsucht darnach
noch mehr. -- Sie standen jetzt mit ihren Pfer¬
den auf einer weiten Anhöhe, wo sie die Pesti¬
zer Kirchthürme in Westen vor sich sahen und
-- wenn sie sich umkehrten -- unten den
Blumenbühler Thurm in Morgen; aus jenen
und aus diesem kam zu ihnen ein verwehtes
Mittagsgeläute her; Albano hörte seine Zukunft
und seine Vergangenheit zusammen tönen. Er
sah nieder ins Dorf und hinauf an ein nettes
rothes Häuschen auf einem nahen Berge, das
ihm wie eine hell bemalte Urne längst ausge¬
wischter Tage nachglänzte; er seufzete; er blickte
über die weite Baustelle seines künftigen Lebens
und sprengte nun mit verhängtem Zügel den
Lindenstädter Thürmen wie den Palmen seiner
Laufbahn zu. -- --

ſchläfrig und betrunken wankt, bis man an
doppelſeitigen Lähmungen umfällt.

Man wird es aus der erſten Jobelperiode nicht
behalten haben — weils in einer Note ſtand —, daß
Alban niemals nach Peſtiz durſte und zwar aus
ſehr guten Gründen, die dem Ritter allein bekannt
ſind aber nicht mir. Dieſer lange Thorſchluß
der Stadt ſchärfte nur ſeine Sehnſucht darnach
noch mehr. — Sie ſtanden jetzt mit ihren Pfer¬
den auf einer weiten Anhöhe, wo ſie die Peſti¬
zer Kirchthürme in Weſten vor ſich ſahen und
— wenn ſie ſich umkehrten — unten den
Blumenbühler Thurm in Morgen; aus jenen
und aus dieſem kam zu ihnen ein verwehtes
Mittagsgeläute her; Albano hörte ſeine Zukunft
und ſeine Vergangenheit zuſammen tönen. Er
ſah nieder ins Dorf und hinauf an ein nettes
rothes Häuschen auf einem nahen Berge, das
ihm wie eine hell bemalte Urne längſt ausge¬
wiſchter Tage nachglänzte; er ſeufzete; er blickte
über die weite Bauſtelle ſeines künftigen Lebens
und ſprengte nun mit verhängtem Zügel den
Lindenſtädter Thürmen wie den Palmen ſeiner
Laufbahn zu. — —

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[124/0144] ſchläfrig und betrunken wankt, bis man an doppelſeitigen Lähmungen umfällt. Man wird es aus der erſten Jobelperiode nicht behalten haben — weils in einer Note ſtand —, daß Alban niemals nach Peſtiz durſte und zwar aus ſehr guten Gründen, die dem Ritter allein bekannt ſind aber nicht mir. Dieſer lange Thorſchluß der Stadt ſchärfte nur ſeine Sehnſucht darnach noch mehr. — Sie ſtanden jetzt mit ihren Pfer¬ den auf einer weiten Anhöhe, wo ſie die Peſti¬ zer Kirchthürme in Weſten vor ſich ſahen und — wenn ſie ſich umkehrten — unten den Blumenbühler Thurm in Morgen; aus jenen und aus dieſem kam zu ihnen ein verwehtes Mittagsgeläute her; Albano hörte ſeine Zukunft und ſeine Vergangenheit zuſammen tönen. Er ſah nieder ins Dorf und hinauf an ein nettes rothes Häuschen auf einem nahen Berge, das ihm wie eine hell bemalte Urne längſt ausge¬ wiſchter Tage nachglänzte; er ſeufzete; er blickte über die weite Bauſtelle ſeines künftigen Lebens und ſprengte nun mit verhängtem Zügel den Lindenſtädter Thürmen wie den Palmen ſeiner Laufbahn zu. — —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/144>, abgerufen am 24.11.2024.