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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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dreißig Meilen abliegende Studierstube hinein¬
spiegelt --, es kann mir der Fall aufstoßen sag'
ich, daß ein solcher entlegner Mann zufällig
vor den Ladentisch des Buchhändlers tritt, und
in meinem Werke, das rauchend aus dem Back¬
ofen dort liegt, sich mit seinen Haaren, Knöp¬
fen, Schnallen und Warzen so deutlich auf der
371. Seite abgebildet findet, als man auf den
Steinen in Frankreich die Abdrücke indischer
Pflanzen antrift. Es thut aber nichts.

Leute hingegen, die mit mir an Einem Orte
wohnen, welches sonst die Höfer thaten, kom¬
men gut davon; denn neben mir halt' ich keine
Gesandten.

Aber eben dieser Vorzug, daß ich meine
Geschichten nicht aus der Luft greife sondern
aus Depeschen, nöthigt mich, mehr Mühe an¬
zuwenden, sie zu verziffern, als andere hätten,
sie aufzuschmücken oder auszusinnen. Kein klei¬
neres Wunder als das, welches das Mauer¬
sche Geheimniß und die unsichtbare Kirche und
die unsichtbare Loge vergittert und verdeckt,
schien bisher die Entdeckung der wahren Na¬
men meiner Historien abzuwenden, und zwar

dreißig Meilen abliegende Studierſtube hinein¬
ſpiegelt —, es kann mir der Fall aufſtoßen ſag'
ich, daß ein ſolcher entlegner Mann zufällig
vor den Ladentiſch des Buchhändlers tritt, und
in meinem Werke, das rauchend aus dem Back¬
ofen dort liegt, ſich mit ſeinen Haaren, Knöp¬
fen, Schnallen und Warzen ſo deutlich auf der
371. Seite abgebildet findet, als man auf den
Steinen in Frankreich die Abdrücke indiſcher
Pflanzen antrift. Es thut aber nichts.

Leute hingegen, die mit mir an Einem Orte
wohnen, welches ſonſt die Höfer thaten, kom¬
men gut davon; denn neben mir halt' ich keine
Geſandten.

Aber eben dieſer Vorzug, daß ich meine
Geſchichten nicht aus der Luft greife ſondern
aus Depeſchen, nöthigt mich, mehr Mühe an¬
zuwenden, ſie zu verziffern, als andere hätten,
ſie aufzuſchmücken oder auszuſinnen. Kein klei¬
neres Wunder als das, welches das Mauer¬
ſche Geheimniß und die unſichtbare Kirche und
die unſichtbare Loge vergittert und verdeckt,
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men meiner Hiſtorien abzuwenden, und zwar

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[110/0130] dreißig Meilen abliegende Studierſtube hinein¬ ſpiegelt —, es kann mir der Fall aufſtoßen ſag' ich, daß ein ſolcher entlegner Mann zufällig vor den Ladentiſch des Buchhändlers tritt, und in meinem Werke, das rauchend aus dem Back¬ ofen dort liegt, ſich mit ſeinen Haaren, Knöp¬ fen, Schnallen und Warzen ſo deutlich auf der 371. Seite abgebildet findet, als man auf den Steinen in Frankreich die Abdrücke indiſcher Pflanzen antrift. Es thut aber nichts. Leute hingegen, die mit mir an Einem Orte wohnen, welches ſonſt die Höfer thaten, kom¬ men gut davon; denn neben mir halt' ich keine Geſandten. Aber eben dieſer Vorzug, daß ich meine Geſchichten nicht aus der Luft greife ſondern aus Depeſchen, nöthigt mich, mehr Mühe an¬ zuwenden, ſie zu verziffern, als andere hätten, ſie aufzuſchmücken oder auszuſinnen. Kein klei¬ neres Wunder als das, welches das Mauer¬ ſche Geheimniß und die unſichtbare Kirche und die unſichtbare Loge vergittert und verdeckt, ſchien bisher die Entdeckung der wahren Na¬ men meiner Hiſtorien abzuwenden, und zwar

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/130>, abgerufen am 23.11.2024.