Elbe, bald in die Saale, bald in die Donau oben herab wirft, steht schon so hoch vor mir auf dem Zimmerplatze, daß ichs nicht verbauen könnte, gesetzt daß ich die ästhetischen Bauten meiner biographischen Narrenschiffe, Redouten¬ sääle und Zauberschlösser forttriebe Tag und Nacht, Jahr aus Jahr ein und weder mehr tanzte noch ritte noch spräche noch niesete. . . ,
Wahrlich wenn ich oft so meinen schrift¬ stellerischen Eierstock gegen manchen fremden Rogen abwäge: so frag' ich ordentlich mit einem gewissen Unmuth, warum ein Mann einen so großen zu tragen bekommen, der ihn aus Man¬ gel an Zeit und Platz nicht von sich geben kann, in¬ deß ein andrer kaum ein Windei legt und heraus¬ bringt. -- Wenn ich ein Piquet aus meiner Lega¬ zions-Division den Ritterbüchermachern mit des¬ sen offiziellen Berichten zuschicken könnte: würden sie nicht gern Ruinen gegen Schlösser und unter¬ irrdische Klostergänge gegen Korridore und Gei¬ ster gegen Körper vertauschen, anstatt daß ih¬ nen jetzt aus Mangel an offiziellen Berichten des Piquets die Dirnen die Weltdamen, die Veümer die Justizminister vertreten müssen, so
Elbe, bald in die Saale, bald in die Donau oben herab wirft, ſteht ſchon ſo hoch vor mir auf dem Zimmerplatze, daß ichs nicht verbauen könnte, geſetzt daß ich die äſthetiſchen Bauten meiner biographiſchen Narrenſchiffe, Redouten¬ ſääle und Zauberſchlöſſer forttriebe Tag und Nacht, Jahr aus Jahr ein und weder mehr tanzte noch ritte noch ſpräche noch nieſete. . . ,
Wahrlich wenn ich oft ſo meinen ſchrift¬ ſtelleriſchen Eierſtock gegen manchen fremden Rogen abwäge: ſo frag' ich ordentlich mit einem gewiſſen Unmuth, warum ein Mann einen ſo großen zu tragen bekommen, der ihn aus Man¬ gel an Zeit und Platz nicht von ſich geben kann, in¬ deß ein andrer kaum ein Windei legt und heraus¬ bringt. — Wenn ich ein Piquet aus meiner Lega¬ zions-Diviſion den Ritterbüchermachern mit des¬ ſen offiziellen Berichten zuſchicken könnte: würden ſie nicht gern Ruinen gegen Schlöſſer und unter¬ irrdiſche Kloſtergänge gegen Korridore und Gei¬ ſter gegen Körper vertauſchen, anſtatt daß ih¬ nen jetzt aus Mangel an offiziellen Berichten des Piquets die Dirnen die Weltdamen, die Veümer die Juſtizminiſter vertreten müſſen, ſo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0124"n="104"/>
Elbe, bald in die Saale, bald in die Donau<lb/>
oben herab wirft, ſteht ſchon ſo hoch vor mir<lb/>
auf dem Zimmerplatze, daß ichs nicht verbauen<lb/>
könnte, geſetzt daß ich die äſthetiſchen Bauten<lb/>
meiner biographiſchen Narrenſchiffe, Redouten¬<lb/>ſääle und Zauberſchlöſſer forttriebe Tag und<lb/>
Nacht, Jahr aus Jahr ein und weder mehr<lb/>
tanzte noch ritte noch ſpräche noch nieſete. . . ,</p><lb/><p>Wahrlich wenn ich oft ſo meinen ſchrift¬<lb/>ſtelleriſchen Eierſtock gegen manchen fremden<lb/>
Rogen abwäge: ſo frag' ich ordentlich mit einem<lb/>
gewiſſen Unmuth, warum ein Mann einen ſo<lb/>
großen zu tragen bekommen, der ihn aus Man¬<lb/>
gel an Zeit und Platz nicht von ſich geben kann, in¬<lb/>
deß ein andrer kaum ein Windei legt und heraus¬<lb/>
bringt. — Wenn ich ein Piquet aus meiner Lega¬<lb/>
zions-Diviſion den Ritterbüchermachern mit des¬<lb/>ſen offiziellen Berichten zuſchicken könnte: würden<lb/>ſie nicht gern Ruinen gegen Schlöſſer und unter¬<lb/>
irrdiſche Kloſtergänge gegen Korridore und Gei¬<lb/>ſter gegen Körper vertauſchen, anſtatt daß ih¬<lb/>
nen jetzt aus Mangel an offiziellen Berichten<lb/>
des Piquets die Dirnen die Weltdamen, die<lb/>
Veümer die Juſtizminiſter vertreten müſſen, ſo<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[104/0124]
Elbe, bald in die Saale, bald in die Donau
oben herab wirft, ſteht ſchon ſo hoch vor mir
auf dem Zimmerplatze, daß ichs nicht verbauen
könnte, geſetzt daß ich die äſthetiſchen Bauten
meiner biographiſchen Narrenſchiffe, Redouten¬
ſääle und Zauberſchlöſſer forttriebe Tag und
Nacht, Jahr aus Jahr ein und weder mehr
tanzte noch ritte noch ſpräche noch nieſete. . . ,
Wahrlich wenn ich oft ſo meinen ſchrift¬
ſtelleriſchen Eierſtock gegen manchen fremden
Rogen abwäge: ſo frag' ich ordentlich mit einem
gewiſſen Unmuth, warum ein Mann einen ſo
großen zu tragen bekommen, der ihn aus Man¬
gel an Zeit und Platz nicht von ſich geben kann, in¬
deß ein andrer kaum ein Windei legt und heraus¬
bringt. — Wenn ich ein Piquet aus meiner Lega¬
zions-Diviſion den Ritterbüchermachern mit des¬
ſen offiziellen Berichten zuſchicken könnte: würden
ſie nicht gern Ruinen gegen Schlöſſer und unter¬
irrdiſche Kloſtergänge gegen Korridore und Gei¬
ſter gegen Körper vertauſchen, anſtatt daß ih¬
nen jetzt aus Mangel an offiziellen Berichten
des Piquets die Dirnen die Weltdamen, die
Veümer die Juſtizminiſter vertreten müſſen, ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/124>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.