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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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die darunter sind -- Schönheit und Tugend zanken
und lieben sich wie ein Paar Schwestern und doch
geben sie einander ihren Putz (bezog sich) -- Man
denkt nie so gern an die Tugend als wenn man
die Rosenmädchen in Salency sieht. -- Sie wird
auch an andern Orten gekrönt (bezog sich wie¬
der) u. s. w.

Kurz jeder Ton und Blick erwieß nicht, son¬
dern präsumiert' es schon, daß Tugend nichts wä¬
re -- als der Oekonomus des Magens, die Kon¬
viktoristin der Sinne, die Officiantin und Tochter
des Körpers. Der Liebe giengs wie der Tugend.
"Die Julie des Jean Jaques (sagte einer) ist wie
tausend Julien oder wie Jean Jaques selber; sie be¬
ginnt mit Schwärmen, endigt mit Beten -- aber
das Fallen ist zwischen beiden."

Niemand als wer einmal in Gustavs Lage
war, wer einmal das verheerende Bestürmen sei¬
ner tiefsten Ueberzeugung von der Möglichkeit und
Göttlichkeit der Tugend, in einem Kreise witziger
und entscheidender Leute von Stande erlitt; wen
unter solchen Erschütterungen, deren jede ein Riß
in die Seele ist, sein eignes Unvermögen kränkte,

die darunter ſind — Schoͤnheit und Tugend zanken
und lieben ſich wie ein Paar Schweſtern und doch
geben ſie einander ihren Putz (bezog ſich) — Man
denkt nie ſo gern an die Tugend als wenn man
die Roſenmaͤdchen in Salency ſieht. — Sie wird
auch an andern Orten gekroͤnt (bezog ſich wie¬
der) u. ſ. w.

Kurz jeder Ton und Blick erwieß nicht, ſon¬
dern praͤſumiert' es ſchon, daß Tugend nichts waͤ¬
re — als der Oekonomus des Magens, die Kon¬
viktoriſtin der Sinne, die Officiantin und Tochter
des Koͤrpers. Der Liebe giengs wie der Tugend.
„Die Julie des Jean Jaques (ſagte einer) iſt wie
tauſend Julien oder wie Jean Jaques ſelber; ſie be¬
ginnt mit Schwaͤrmen, endigt mit Beten — aber
das Fallen iſt zwiſchen beiden.“

Niemand als wer einmal in Guſtavs Lage
war, wer einmal das verheerende Beſtuͤrmen ſei¬
ner tiefſten Ueberzeugung von der Moͤglichkeit und
Goͤttlichkeit der Tugend, in einem Kreiſe witziger
und entſcheidender Leute von Stande erlitt; wen
unter ſolchen Erſchuͤtterungen, deren jede ein Riß
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[75/0085] die darunter ſind — Schoͤnheit und Tugend zanken und lieben ſich wie ein Paar Schweſtern und doch geben ſie einander ihren Putz (bezog ſich) — Man denkt nie ſo gern an die Tugend als wenn man die Roſenmaͤdchen in Salency ſieht. — Sie wird auch an andern Orten gekroͤnt (bezog ſich wie¬ der) u. ſ. w. Kurz jeder Ton und Blick erwieß nicht, ſon¬ dern praͤſumiert' es ſchon, daß Tugend nichts waͤ¬ re — als der Oekonomus des Magens, die Kon¬ viktoriſtin der Sinne, die Officiantin und Tochter des Koͤrpers. Der Liebe giengs wie der Tugend. „Die Julie des Jean Jaques (ſagte einer) iſt wie tauſend Julien oder wie Jean Jaques ſelber; ſie be¬ ginnt mit Schwaͤrmen, endigt mit Beten — aber das Fallen iſt zwiſchen beiden.“ Niemand als wer einmal in Guſtavs Lage war, wer einmal das verheerende Beſtuͤrmen ſei¬ ner tiefſten Ueberzeugung von der Moͤglichkeit und Goͤttlichkeit der Tugend, in einem Kreiſe witziger und entſcheidender Leute von Stande erlitt; wen unter ſolchen Erſchuͤtterungen, deren jede ein Riß in die Seele iſt, ſein eignes Unvermoͤgen kraͤnkte,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/85>, abgerufen am 22.11.2024.