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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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rührte Beata ließ, ohne oder mit Absicht, ihre
Rose abgeknickt zu Boden zittern: er bückte sich nach
ihr lange und ließ seine Thräne verborgen wegsin¬
ken; aber da er ihr die Rose gab und beide furcht¬
sam die gesenkten Augen auf der Blume versteckten
und hefteten und da sie ein herspringender Tropf
unterbrach: so standen plötzlich ihre aufgeschlagnen
Augen einander wie der aufgehende Vollmond der
untergehenden Sonne gegenüber und sanken in ein¬
ander und in einem Augenblick unaussprechlicher
Zärtlichkeit sahen ihre Seelen, daß sie einander --
suchten.

Der springende Tropf war Oefel, der Beatens
Arm haben wollte, sie in den Speisesaal zu füh¬
ren. Jetzt, Leser, trag' ich dir statt lebendiger Ro¬
sen (wie unser Seelen-Paar ist) lauter in Butter
gesottene Rosen auf. Sechs oder sieben und zwan¬
zig Kouverts, glaub' ich, waren. Ich will hier
statt eines Küchenzettels einen Passagierzettel der
Gäste verfertigen. Erstlich waren am Tische und
im Schlosse zwei keusche Menschen -- Beata und
Gustav; welches ein Beweis ist, daß schöne See¬
len in allen Orten wachsen, sogar an den höch¬
sten
: so ließ der vorige Kaiser jährlich einige Nach¬

2. Theil. E

ruͤhrte Beata ließ, ohne oder mit Abſicht, ihre
Roſe abgeknickt zu Boden zittern: er buͤckte ſich nach
ihr lange und ließ ſeine Thraͤne verborgen wegſin¬
ken; aber da er ihr die Roſe gab und beide furcht¬
ſam die geſenkten Augen auf der Blume verſteckten
und hefteten und da ſie ein herſpringender Tropf
unterbrach: ſo ſtanden ploͤtzlich ihre aufgeſchlagnen
Augen einander wie der aufgehende Vollmond der
untergehenden Sonne gegenuͤber und ſanken in ein¬
ander und in einem Augenblick unausſprechlicher
Zaͤrtlichkeit ſahen ihre Seelen, daß ſie einander —
ſuchten.

Der ſpringende Tropf war Oefel, der Beatens
Arm haben wollte, ſie in den Speiſeſaal zu fuͤh¬
ren. Jetzt, Leſer, trag' ich dir ſtatt lebendiger Ro¬
ſen (wie unſer Seelen-Paar iſt) lauter in Butter
geſottene Roſen auf. Sechs oder ſieben und zwan¬
zig Kouverts, glaub' ich, waren. Ich will hier
ſtatt eines Kuͤchenzettels einen Paſſagierzettel der
Gaͤſte verfertigen. Erſtlich waren am Tiſche und
im Schloſſe zwei keuſche Menſchen — Beata und
Guſtav; welches ein Beweis iſt, daß ſchoͤne See¬
len in allen Orten wachſen, ſogar an den hoͤch¬
ſten
: ſo ließ der vorige Kaiſer jaͤhrlich einige Nach¬

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[65/0075] ruͤhrte Beata ließ, ohne oder mit Abſicht, ihre Roſe abgeknickt zu Boden zittern: er buͤckte ſich nach ihr lange und ließ ſeine Thraͤne verborgen wegſin¬ ken; aber da er ihr die Roſe gab und beide furcht¬ ſam die geſenkten Augen auf der Blume verſteckten und hefteten und da ſie ein herſpringender Tropf unterbrach: ſo ſtanden ploͤtzlich ihre aufgeſchlagnen Augen einander wie der aufgehende Vollmond der untergehenden Sonne gegenuͤber und ſanken in ein¬ ander und in einem Augenblick unausſprechlicher Zaͤrtlichkeit ſahen ihre Seelen, daß ſie einander — ſuchten. Der ſpringende Tropf war Oefel, der Beatens Arm haben wollte, ſie in den Speiſeſaal zu fuͤh¬ ren. Jetzt, Leſer, trag' ich dir ſtatt lebendiger Ro¬ ſen (wie unſer Seelen-Paar iſt) lauter in Butter geſottene Roſen auf. Sechs oder ſieben und zwan¬ zig Kouverts, glaub' ich, waren. Ich will hier ſtatt eines Kuͤchenzettels einen Paſſagierzettel der Gaͤſte verfertigen. Erſtlich waren am Tiſche und im Schloſſe zwei keuſche Menſchen — Beata und Guſtav; welches ein Beweis iſt, daß ſchoͤne See¬ len in allen Orten wachſen, ſogar an den hoͤch¬ ſten: ſo ließ der vorige Kaiſer jaͤhrlich einige Nach¬ 2. Theil. E

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/75>, abgerufen am 22.11.2024.