Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.Mit jenem hastigen Sprung der Kinder zu ei¬ Das war zuviel für die Frontloge oben, die rührte
Mit jenem haſtigen Sprung der Kinder zu ei¬ Das war zuviel fuͤr die Frontloge oben, die ruͤhrte
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0074" n="64"/> <p>Mit jenem haſtigen Sprung der Kinder zu ei¬<lb/> nem neuen Spiel ſagte das Maͤdchen: „jetzt mußt<lb/> „du der Herr (Guſtav) ſeyn; und ich will das<lb/> „Fraulein (Beata) ſeyn. Jetzt will ich dich lieb¬<lb/> „haben, nachher mußt du mich,“ ſie ſtrich ihm<lb/> ſanft die Backen und dann die Augenbraunen und<lb/> endlich die Arme und manipulirte den Herrn. „Jetzt<lb/> mich!“ ſagte ſie mit ſchnell herunterhaͤngenden Ar¬<lb/> men. Der Junge warf ſeine Arme ſo eng um ih¬<lb/> ren Hals, daß die zwei Ellbogen ſich durchſchnit¬<lb/> ten und ſchuͤrzten und als uͤberfluͤſſige Bandſchlei¬<lb/> fen uͤber den Liebesknoten hinausragten; er kuͤ߬<lb/> te ſie derb. Ploͤtzlich fand ihre kritiſche Feile ei¬<lb/> nen verdammten Anachroniſmus an dieſem hiſto¬<lb/> riſchen Schauſpiele und ſie ſagte fragend: „Ja,<lb/> „der Herr und das Fraͤulein haben ſich ja nicht<lb/> lieb?“ —</p><lb/> <p>Das war zuviel fuͤr die Frontloge oben, die<lb/> zugleich das Auditorium und das <hi rendition="#g">Original</hi> der<lb/> kleinen Akteurs war, und die <hi rendition="#g">Kopie</hi> derſelben zu<lb/> werden in Gefahr gerieth. Guſtav hielt das Au¬<lb/> genlied gewaltſam offen, damit es das Waſſer wor¬<lb/> in ſein Auge ſtand, zu keiner ſichtbaren auf die<lb/> Wange fallenden Thraͤne vereinigte — und die ge¬<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ruͤhrte<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0074]
Mit jenem haſtigen Sprung der Kinder zu ei¬
nem neuen Spiel ſagte das Maͤdchen: „jetzt mußt
„du der Herr (Guſtav) ſeyn; und ich will das
„Fraulein (Beata) ſeyn. Jetzt will ich dich lieb¬
„haben, nachher mußt du mich,“ ſie ſtrich ihm
ſanft die Backen und dann die Augenbraunen und
endlich die Arme und manipulirte den Herrn. „Jetzt
mich!“ ſagte ſie mit ſchnell herunterhaͤngenden Ar¬
men. Der Junge warf ſeine Arme ſo eng um ih¬
ren Hals, daß die zwei Ellbogen ſich durchſchnit¬
ten und ſchuͤrzten und als uͤberfluͤſſige Bandſchlei¬
fen uͤber den Liebesknoten hinausragten; er kuͤ߬
te ſie derb. Ploͤtzlich fand ihre kritiſche Feile ei¬
nen verdammten Anachroniſmus an dieſem hiſto¬
riſchen Schauſpiele und ſie ſagte fragend: „Ja,
„der Herr und das Fraͤulein haben ſich ja nicht
lieb?“ —
Das war zuviel fuͤr die Frontloge oben, die
zugleich das Auditorium und das Original der
kleinen Akteurs war, und die Kopie derſelben zu
werden in Gefahr gerieth. Guſtav hielt das Au¬
genlied gewaltſam offen, damit es das Waſſer wor¬
in ſein Auge ſtand, zu keiner ſichtbaren auf die
Wange fallenden Thraͤne vereinigte — und die ge¬
ruͤhrte
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/74>, abgerufen am 23.07.2024. |