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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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nalversammlung geredet; auch machte der Tu¬
mult, der beide einfaßte, sie einsamer und vertrauli¬
cher: kurz er erzählte ihr mit Feuer und historischen
Ellypsen seine Schäferei mit Einem Lamm auf dem
Berg. -- Dieses Schwärmen steckte Beaten (wie alle
Weiber) so sehr an, daß sie anfieng -- zu schwei¬
gen
.

Die Noth zwang sie, jetzt einen äussern Gegen¬
stand (wie ein Schwerdt im fürstlichen Bett als Se¬
kante) zwischen ihre zusammenfliessenden Seelen zu
bringen -- sie sahen auf die zwei Gärtners-Kinder
unten hinunter und das so begierig, daß sie nichts
sahen. Der Junge sagte: "mich hat das Fräulein
"(Beata) so lieb" und streckte beide Arme aus ein¬
ander -- das Mädchen sagte: "mich hat der Herr
"(Gustav) so groß lieb wie das Schloß" -- "und
mich, replicirte er, so groß wie den Garten" --
"und mich, excipirte das Mädchen, so groß wie die
"ganze Welt." Darüber konnten die Flügel des Jun¬
gen nicht hinaus und hätten seine Schwanzfedern
über den Katheder-Horst hinausgestochen. Jedes
zählte dem andern die Liebespfänder, die es von den
oben über gegenseitiges Lob erfreueten Zuhörern er¬
halten hatte, und sagte bei jedem Stück; "hast
du das g'kriegt?" --

nalverſammlung geredet; auch machte der Tu¬
mult, der beide einfaßte, ſie einſamer und vertrauli¬
cher: kurz er erzaͤhlte ihr mit Feuer und hiſtoriſchen
Ellypſen ſeine Schaͤferei mit Einem Lamm auf dem
Berg. — Dieſes Schwaͤrmen ſteckte Beaten (wie alle
Weiber) ſo ſehr an, daß ſie anfieng — zu ſchwei¬
gen
.

Die Noth zwang ſie, jetzt einen aͤuſſern Gegen¬
ſtand (wie ein Schwerdt im fuͤrſtlichen Bett als Se¬
kante) zwiſchen ihre zuſammenflieſſenden Seelen zu
bringen — ſie ſahen auf die zwei Gaͤrtners-Kinder
unten hinunter und das ſo begierig, daß ſie nichts
ſahen. Der Junge ſagte: „mich hat das Fraͤulein
„(Beata) ſo lieb“ und ſtreckte beide Arme aus ein¬
ander — das Maͤdchen ſagte: „mich hat der Herr
„(Guſtav) ſo groß lieb wie das Schloß“ — „und
mich, replicirte er, ſo groß wie den Garten“ —
„und mich, excipirte das Maͤdchen, ſo groß wie die
„ganze Welt.“ Daruͤber konnten die Fluͤgel des Jun¬
gen nicht hinaus und haͤtten ſeine Schwanzfedern
uͤber den Katheder-Horſt hinausgeſtochen. Jedes
zaͤhlte dem andern die Liebespfaͤnder, die es von den
oben uͤber gegenſeitiges Lob erfreueten Zuhoͤrern er¬
halten hatte, und ſagte bei jedem Stuͤck; „haſt
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[63/0073] nalverſammlung geredet; auch machte der Tu¬ mult, der beide einfaßte, ſie einſamer und vertrauli¬ cher: kurz er erzaͤhlte ihr mit Feuer und hiſtoriſchen Ellypſen ſeine Schaͤferei mit Einem Lamm auf dem Berg. — Dieſes Schwaͤrmen ſteckte Beaten (wie alle Weiber) ſo ſehr an, daß ſie anfieng — zu ſchwei¬ gen. Die Noth zwang ſie, jetzt einen aͤuſſern Gegen¬ ſtand (wie ein Schwerdt im fuͤrſtlichen Bett als Se¬ kante) zwiſchen ihre zuſammenflieſſenden Seelen zu bringen — ſie ſahen auf die zwei Gaͤrtners-Kinder unten hinunter und das ſo begierig, daß ſie nichts ſahen. Der Junge ſagte: „mich hat das Fraͤulein „(Beata) ſo lieb“ und ſtreckte beide Arme aus ein¬ ander — das Maͤdchen ſagte: „mich hat der Herr „(Guſtav) ſo groß lieb wie das Schloß“ — „und mich, replicirte er, ſo groß wie den Garten“ — „und mich, excipirte das Maͤdchen, ſo groß wie die „ganze Welt.“ Daruͤber konnten die Fluͤgel des Jun¬ gen nicht hinaus und haͤtten ſeine Schwanzfedern uͤber den Katheder-Horſt hinausgeſtochen. Jedes zaͤhlte dem andern die Liebespfaͤnder, die es von den oben uͤber gegenſeitiges Lob erfreueten Zuhoͤrern er¬ halten hatte, und ſagte bei jedem Stuͤck; „haſt du das g'kriegt?“ —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/73>, abgerufen am 25.11.2024.