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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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auf Morgen ein -- "aber Vormittags, setzte sie
lächelnd hinzu, kommen sie nicht schon: Beata
will durchaus nicht gemahlet seyn."

-- -- Der Leser hat im ganzen Buche noch
nicht drei Worte reden oder schreiben dürfen: jezt
will ich ihn ans Sprachgitter oder ins parloir las¬
sen und seine Fragen nachschreiben. "Was hat denn
-- fragt er -- die Residentin vor? will sie aus
Gustav ein gezähntes Kamrad schnitzen, das sie in
irgend eine unbekannte Maschine setzet? -- oder
bauet sie den Jägerschirm und zwirnt die Prahl¬
netze, um ihn zu fällen und zu fangen? -- wird
sie wie jede Kokette dem ähnlich der ihr nicht ähn¬
lich werden will, wie nach Platner der Mensch
das was er empfindet, so sehr wird, daß er sich
mit der Blume bückt und mit den Felsen hebt?"

-- -- Der Leser bemerke, daß der Leser selber
hier Witz hat und gehe weiter! -- --

"Oder, (geht er also weiter) geht die Resi¬
dentin nicht so weit, sondern will sie aus Edel¬
muth, worüber man oft die optischen Kunststücke ih¬
rer Koketterie verzeiht, den schönsten uneigennützig¬
sten Jüngling aus den schönsten uneigennützig¬
sten Gründen aufsuchen und ausbilden? -- oder kön¬
nens nicht auch alles bloße Zufälle seyn -- und

auf Morgen ein — „aber Vormittags, ſetzte ſie
laͤchelnd hinzu, kommen ſie nicht ſchon: Beata
will durchaus nicht gemahlet ſeyn.“

— — Der Leſer hat im ganzen Buche noch
nicht drei Worte reden oder ſchreiben duͤrfen: jezt
will ich ihn ans Sprachgitter oder ins parloir laſ¬
ſen und ſeine Fragen nachſchreiben. „Was hat denn
— fragt er — die Reſidentin vor? will ſie aus
Guſtav ein gezaͤhntes Kamrad ſchnitzen, das ſie in
irgend eine unbekannte Maſchine ſetzet? — oder
bauet ſie den Jaͤgerſchirm und zwirnt die Prahl¬
netze, um ihn zu faͤllen und zu fangen? — wird
ſie wie jede Kokette dem aͤhnlich der ihr nicht aͤhn¬
lich werden will, wie nach Platner der Menſch
das was er empfindet, ſo ſehr wird, daß er ſich
mit der Blume buͤckt und mit den Felſen hebt?“

— — Der Leſer bemerke, daß der Leſer ſelber
hier Witz hat und gehe weiter! — —

„Oder, (geht er alſo weiter) geht die Reſi¬
dentin nicht ſo weit, ſondern will ſie aus Edel¬
muth, woruͤber man oft die optiſchen Kunſtſtuͤcke ih¬
rer Koketterie verzeiht, den ſchoͤnſten uneigennuͤtzig¬
ſten Juͤngling aus den ſchoͤnſten uneigennuͤtzig¬
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[52/0062] auf Morgen ein — „aber Vormittags, ſetzte ſie laͤchelnd hinzu, kommen ſie nicht ſchon: Beata will durchaus nicht gemahlet ſeyn.“ — — Der Leſer hat im ganzen Buche noch nicht drei Worte reden oder ſchreiben duͤrfen: jezt will ich ihn ans Sprachgitter oder ins parloir laſ¬ ſen und ſeine Fragen nachſchreiben. „Was hat denn — fragt er — die Reſidentin vor? will ſie aus Guſtav ein gezaͤhntes Kamrad ſchnitzen, das ſie in irgend eine unbekannte Maſchine ſetzet? — oder bauet ſie den Jaͤgerſchirm und zwirnt die Prahl¬ netze, um ihn zu faͤllen und zu fangen? — wird ſie wie jede Kokette dem aͤhnlich der ihr nicht aͤhn¬ lich werden will, wie nach Platner der Menſch das was er empfindet, ſo ſehr wird, daß er ſich mit der Blume buͤckt und mit den Felſen hebt?“ — — Der Leſer bemerke, daß der Leſer ſelber hier Witz hat und gehe weiter! — — „Oder, (geht er alſo weiter) geht die Reſi¬ dentin nicht ſo weit, ſondern will ſie aus Edel¬ muth, woruͤber man oft die optiſchen Kunſtſtuͤcke ih¬ rer Koketterie verzeiht, den ſchoͤnſten uneigennuͤtzig¬ ſten Juͤngling aus den ſchoͤnſten uneigennuͤtzig¬ ſten Gruͤnden aufſuchen und ausbilden? — oder koͤn¬ nens nicht auch alles bloße Zufaͤlle ſeyn — und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/62>, abgerufen am 22.11.2024.