Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.ferner über die Leiden und Niederlagen derselben ferner uͤber die Leiden und Niederlagen derſelben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="42"/> ferner uͤber die Leiden und Niederlagen derſelben<lb/> eine <hi rendition="#g">Betruͤbniß</hi> die auch bis zur Ohnmacht rei¬<lb/> chen kann: nun denke man ſich, ob eine Frau<lb/> beim vereinigten Anfall von zwei Gemuͤthsbewegun¬<lb/> gen, wovon jede allein ſchon toͤdten kann, noch<lb/> aufrecht zu verbleiben vermoͤge? — Bekanntlich<lb/> ſtirbt die Ehre der Damen von Welt ſo wenig wie<lb/> der Koͤnig von Frankreich und es iſt das eine be¬<lb/> kannte Fiktion; wenigſtens iſt dieſer Ehre der Tod<lb/> wie den Frommen, ein Schlaf, der uͤber 12 Stun¬<lb/> den nicht dauert. Ich kenne an unſerem Hofe eine<lb/> Art Ehre oder Tugend, die gleich einem Polypen<lb/> an nichts ſtirbt, ſie kann wie die alten Goͤtter<lb/> verwundet aber nicht umgebracht werden — gleich<lb/> Hornſchroͤtern zappelt ſie an der Nadel und ohne<lb/> alle Nahrung fort — Naturforſcher von Stand<lb/> thun oft einer ſolchen Tugend wie <hi rendition="#g">Fontana</hi> den In¬<lb/> fuſionsthierchen, tauſend Martern an, an denen<lb/> buͤrgerliche weibliche Tugenden ſogleich verſcheiden:<lb/> nichts! kein Gedanke von Sterben. — — Es iſt<lb/> eine wohlthaͤtige Anordnung der Natur, daß ge¬<lb/> rade in den hoͤhern Damen die Tugend eine ſolche<lb/> Achilles- Lebens- oder Reproduktionskraft hat, da¬<lb/> mit ſie erſtlich leichter die komplicirten Frakturen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0052]
ferner uͤber die Leiden und Niederlagen derſelben
eine Betruͤbniß die auch bis zur Ohnmacht rei¬
chen kann: nun denke man ſich, ob eine Frau
beim vereinigten Anfall von zwei Gemuͤthsbewegun¬
gen, wovon jede allein ſchon toͤdten kann, noch
aufrecht zu verbleiben vermoͤge? — Bekanntlich
ſtirbt die Ehre der Damen von Welt ſo wenig wie
der Koͤnig von Frankreich und es iſt das eine be¬
kannte Fiktion; wenigſtens iſt dieſer Ehre der Tod
wie den Frommen, ein Schlaf, der uͤber 12 Stun¬
den nicht dauert. Ich kenne an unſerem Hofe eine
Art Ehre oder Tugend, die gleich einem Polypen
an nichts ſtirbt, ſie kann wie die alten Goͤtter
verwundet aber nicht umgebracht werden — gleich
Hornſchroͤtern zappelt ſie an der Nadel und ohne
alle Nahrung fort — Naturforſcher von Stand
thun oft einer ſolchen Tugend wie Fontana den In¬
fuſionsthierchen, tauſend Martern an, an denen
buͤrgerliche weibliche Tugenden ſogleich verſcheiden:
nichts! kein Gedanke von Sterben. — — Es iſt
eine wohlthaͤtige Anordnung der Natur, daß ge¬
rade in den hoͤhern Damen die Tugend eine ſolche
Achilles- Lebens- oder Reproduktionskraft hat, da¬
mit ſie erſtlich leichter die komplicirten Frakturen
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/52>, abgerufen am 23.07.2024. |