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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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alle grünen Spitzen des englischen Gartens nieder¬
schleift, damit sie nicht weiter keimen . . . .

-- Der helle Stern oder Thautropfe in der Aeh¬
re der Jungfrau fällt jetzt unter den Horizont --
Ich stehe noch hier auf meiner blumigten Erde und
denke: noch trägst du auf deinen Blumen, alte
gute Erde, deine Menschenkinder an die Sonne
wie die Mutter den Säugling ans Licht -- noch bist du
ganz von deinen Kindern umschlungen, behangen,
bedeckt und, indeß Geflügel auf deinen Schultern
flattert, Thiermassen um deine Füße schreiten, ge¬
flügelte Gold-Punkte um deine Locken schweifen,
führest du das aufgerichtete hohe Menschengeschlecht
an deiner Hand durch den Himmel, zeigest uns al¬
len deine Morgenröthen, deine Blumen und das
ganze lichtervolle Haus des unendlichen Vaters und
erzählest deinen Kindern von ihm, die ihn noch
nicht gesehen haben. -- -- Aber gute Mutter Er¬
de, es wird ein Jahrtausend aufgehen, wo alle
deine Kinder dir werden gestorben seyn, wo der
feurige Sonnen-Strudel dich in zu nahe verzehren¬
de Kreise an sich wird gewirbelt haben: dann wirst
du verwaiset, mit Stummen im Schoos, mit To¬
desasche bestreuet, öde und stumm um deine Son¬

alle gruͤnen Spitzen des engliſchen Gartens nieder¬
ſchleift, damit ſie nicht weiter keimen . . . .

— Der helle Stern oder Thautropfe in der Aeh¬
re der Jungfrau faͤllt jetzt unter den Horizont —
Ich ſtehe noch hier auf meiner blumigten Erde und
denke: noch traͤgſt du auf deinen Blumen, alte
gute Erde, deine Menſchenkinder an die Sonne
wie die Mutter den Saͤugling ans Licht — noch biſt du
ganz von deinen Kindern umſchlungen, behangen,
bedeckt und, indeß Gefluͤgel auf deinen Schultern
flattert, Thiermaſſen um deine Fuͤße ſchreiten, ge¬
fluͤgelte Gold-Punkte um deine Locken ſchweifen,
fuͤhreſt du das aufgerichtete hohe Menſchengeſchlecht
an deiner Hand durch den Himmel, zeigeſt uns al¬
len deine Morgenroͤthen, deine Blumen und das
ganze lichtervolle Haus des unendlichen Vaters und
erzaͤhleſt deinen Kindern von ihm, die ihn noch
nicht geſehen haben. — — Aber gute Mutter Er¬
de, es wird ein Jahrtauſend aufgehen, wo alle
deine Kinder dir werden geſtorben ſeyn, wo der
feurige Sonnen-Strudel dich in zu nahe verzehren¬
de Kreiſe an ſich wird gewirbelt haben: dann wirſt
du verwaiſet, mit Stummen im Schoos, mit To¬
desaſche beſtreuet, oͤde und ſtumm um deine Son¬

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[453/0463] alle gruͤnen Spitzen des engliſchen Gartens nieder¬ ſchleift, damit ſie nicht weiter keimen . . . . — Der helle Stern oder Thautropfe in der Aeh¬ re der Jungfrau faͤllt jetzt unter den Horizont — Ich ſtehe noch hier auf meiner blumigten Erde und denke: noch traͤgſt du auf deinen Blumen, alte gute Erde, deine Menſchenkinder an die Sonne wie die Mutter den Saͤugling ans Licht — noch biſt du ganz von deinen Kindern umſchlungen, behangen, bedeckt und, indeß Gefluͤgel auf deinen Schultern flattert, Thiermaſſen um deine Fuͤße ſchreiten, ge¬ fluͤgelte Gold-Punkte um deine Locken ſchweifen, fuͤhreſt du das aufgerichtete hohe Menſchengeſchlecht an deiner Hand durch den Himmel, zeigeſt uns al¬ len deine Morgenroͤthen, deine Blumen und das ganze lichtervolle Haus des unendlichen Vaters und erzaͤhleſt deinen Kindern von ihm, die ihn noch nicht geſehen haben. — — Aber gute Mutter Er¬ de, es wird ein Jahrtauſend aufgehen, wo alle deine Kinder dir werden geſtorben ſeyn, wo der feurige Sonnen-Strudel dich in zu nahe verzehren¬ de Kreiſe an ſich wird gewirbelt haben: dann wirſt du verwaiſet, mit Stummen im Schoos, mit To¬ desaſche beſtreuet, oͤde und ſtumm um deine Son¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/463>, abgerufen am 22.11.2024.