Freudenblumen aufkleben, trotz ihrer Vertrocknung, in einem Herbario: nicht einmal seine alten Fracks, Pikeschen und Bratenröcke (die übrigen Kleidungs¬ stücke karakterisiren wenig) sollte er verschenken oder versteigern, sondern hinhenken sollt' er sie als Hül¬ sen seiner ausgekernten Stunden, als Puppenge¬ häuse der ausgeflognen Freuden, als Gewandfall oder todte Hand, die der Erinnerung heimfällt von den gestorbenen Jahren . . . .
-- -- Sobald ich heute am Tage, der so lang war als dieses Buch, mit dieser Leichenbestattung fertig war: so gieng ich in die Nacht heraus, die so kurz ist wie die des Lebens . . . und hier steh' ich unter dem Himmel und fühl' es wieder wie alle¬ mal, daß jede überstiegne Treppe hienieden sich zur Staffel einer höhern verkürzt und daß jeder er¬ kletterte Thron zum Fußschemmel eines neuen ein¬ schrumpft. -- Die Menschen bewohnen und bewe¬ gen das große Tretrad des Schicksals und glauben darin, sie steigen, wenn sie gehen. . . . War¬ um will ich schon wieder ein neues Buch schreiben und in diesem die Ruhe erwarten, die ich im al¬ ten nicht fand? -- -- Ein buschigter Felsen, der sich über einen Steinbruch bückt, hält mich hier
mit
Freudenblumen aufkleben, trotz ihrer Vertrocknung, in einem Herbario: nicht einmal ſeine alten Fracks, Pikeſchen und Bratenroͤcke (die uͤbrigen Kleidungs¬ ſtuͤcke karakteriſiren wenig) ſollte er verſchenken oder verſteigern, ſondern hinhenken ſollt' er ſie als Huͤl¬ ſen ſeiner ausgekernten Stunden, als Puppenge¬ haͤuſe der ausgeflognen Freuden, als Gewandfall oder todte Hand, die der Erinnerung heimfaͤllt von den geſtorbenen Jahren . . . .
— — Sobald ich heute am Tage, der ſo lang war als dieſes Buch, mit dieſer Leichenbeſtattung fertig war: ſo gieng ich in die Nacht heraus, die ſo kurz iſt wie die des Lebens . . . und hier ſteh' ich unter dem Himmel und fuͤhl' es wieder wie alle¬ mal, daß jede uͤberſtiegne Treppe hienieden ſich zur Staffel einer hoͤhern verkuͤrzt und daß jeder er¬ kletterte Thron zum Fußſchemmel eines neuen ein¬ ſchrumpft. — Die Menſchen bewohnen und bewe¬ gen das große Tretrad des Schickſals und glauben darin, ſie ſteigen, wenn ſie gehen. . . . War¬ um will ich ſchon wieder ein neues Buch ſchreiben und in dieſem die Ruhe erwarten, die ich im al¬ ten nicht fand? — — Ein buſchigter Felſen, der ſich uͤber einen Steinbruch buͤckt, haͤlt mich hier
mit
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Freudenblumen aufkleben, trotz ihrer Vertrocknung,
in einem Herbario: nicht einmal ſeine alten Fracks,
Pikeſchen und Bratenroͤcke (die uͤbrigen Kleidungs¬
ſtuͤcke karakteriſiren wenig) ſollte er verſchenken oder
verſteigern, ſondern hinhenken ſollt' er ſie als Huͤl¬
ſen ſeiner ausgekernten Stunden, als Puppenge¬
haͤuſe der ausgeflognen Freuden, als Gewandfall
oder todte Hand, die der Erinnerung heimfaͤllt von
den geſtorbenen Jahren . . . .
— — Sobald ich heute am Tage, der ſo lang
war als dieſes Buch, mit dieſer Leichenbeſtattung
fertig war: ſo gieng ich in die Nacht heraus, die
ſo kurz iſt wie die des Lebens . . . und hier ſteh' ich
unter dem Himmel und fuͤhl' es wieder wie alle¬
mal, daß jede uͤberſtiegne Treppe hienieden ſich
zur Staffel einer hoͤhern verkuͤrzt und daß jeder er¬
kletterte Thron zum Fußſchemmel eines neuen ein¬
ſchrumpft. — Die Menſchen bewohnen und bewe¬
gen das große Tretrad des Schickſals und glauben
darin, ſie ſteigen, wenn ſie gehen. . . . War¬
um will ich ſchon wieder ein neues Buch ſchreiben
und in dieſem die Ruhe erwarten, die ich im al¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/458>, abgerufen am 25.11.2024.
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