Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.Liebe, Mutter!" Er prahlte vor niemand als vor *) Kobers Kabinetsprediger -- in dem mehr Geist steckt (frei¬
lich oft ein närrischer) als in zwanzig jezigen ausgelaug¬ ten Predigt-Skarteken. Liebe, Mutter!“ Er prahlte vor niemand als vor *) Kobers Kabinetsprediger — in dem mehr Geiſt ſteckt (frei¬
lich oft ein närriſcher) als in zwanzig jezigen ausgelaug¬ ten Predigt-Skarteken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0447" n="437"/> Liebe, Mutter!“ Er prahlte vor niemand als vor<lb/> ſeiner Frau; und ich ſchaͤtze den Vortheil ſo hoch<lb/> als er werth iſt, den die Ehe hat, daß der Ehe¬<lb/> mann durch ſie noch ein zweites Ich bekoͤmmt, vor<lb/> dem er ſich ohne Bedenken recht herzlich loben<lb/> kann. Wahrhaftig das deutſche Publikum ſollte ein<lb/> zweites Ich von uns Autoren abgeben! — Die<lb/> Schachtel war ein Buͤcherſchrank der lilliputiſchen<lb/> Traktaͤtgen in Fingerkalender-Format, die er in<lb/> ſeiner Kindheit dadurch edierte, daß er einen Vers<lb/> aus der Bibel abſchrieb, es heftete und bloß ſag¬<lb/> te: „abermals einen recht huͤbſchen <hi rendition="#g">Kober</hi> <note place="foot" n="*)">Kobers Kabinetsprediger — in dem mehr Geiſt ſteckt (frei¬<lb/> lich oft ein närriſcher) als in zwanzig jezigen ausgelaug¬<lb/> ten Predigt-Skarteken.<lb/></note> ge¬<lb/> macht!“ andre Autores thun das auch, aber erſt<lb/> wenn ſie herangewachſen ſind. Als er mir ſeine<lb/> jugendliche Autorſchaft referierte: bemerkt' er:<lb/> „als ein Kind iſt man ein wahrer Narr; es ſtach<lb/> aber doch ſchon damals der Autortrieb heraus, nur<lb/> freilich noch in einer unreifen und laͤcherlichen Ge¬<lb/> ſtalt” und belaͤchelte zufrieden die jezige. — Und<lb/> ſo giengs mit dem Finkenkloben auch: war nicht<lb/> der fingerslange Finkenkloben, den er mit Vier<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [437/0447]
Liebe, Mutter!“ Er prahlte vor niemand als vor
ſeiner Frau; und ich ſchaͤtze den Vortheil ſo hoch
als er werth iſt, den die Ehe hat, daß der Ehe¬
mann durch ſie noch ein zweites Ich bekoͤmmt, vor
dem er ſich ohne Bedenken recht herzlich loben
kann. Wahrhaftig das deutſche Publikum ſollte ein
zweites Ich von uns Autoren abgeben! — Die
Schachtel war ein Buͤcherſchrank der lilliputiſchen
Traktaͤtgen in Fingerkalender-Format, die er in
ſeiner Kindheit dadurch edierte, daß er einen Vers
aus der Bibel abſchrieb, es heftete und bloß ſag¬
te: „abermals einen recht huͤbſchen Kober *) ge¬
macht!“ andre Autores thun das auch, aber erſt
wenn ſie herangewachſen ſind. Als er mir ſeine
jugendliche Autorſchaft referierte: bemerkt' er:
„als ein Kind iſt man ein wahrer Narr; es ſtach
aber doch ſchon damals der Autortrieb heraus, nur
freilich noch in einer unreifen und laͤcherlichen Ge¬
ſtalt” und belaͤchelte zufrieden die jezige. — Und
ſo giengs mit dem Finkenkloben auch: war nicht
der fingerslange Finkenkloben, den er mit Vier
*) Kobers Kabinetsprediger — in dem mehr Geiſt ſteckt (frei¬
lich oft ein närriſcher) als in zwanzig jezigen ausgelaug¬
ten Predigt-Skarteken.
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/447>, abgerufen am 16.02.2025. |