Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

und nachher delikater agiren als gegenwärtiger Bio¬
graph selbst?

Der Lärm der Kinder und Büttner auf der
Gasse und der Rezensenten in Leipzig hindern den
Biographen, alles ausführlich herzusetzen, die
prächtigen Eckenbeschläge und dreifachen Manschet¬
ten, womit der Bräutigam jede Zeile des Chorals
versah -- den hölzernen Engelssittich, woran er sei¬
nen Kurhut zum Chor hinaus hieng -- den Namen
Justine an den Pedalpfeifen -- seinen Spas und
seine Lust, da sie einander vor der Kirchenagende
(der goldnen Bulle und die Reichsgrundgesetze des
Eheregiments) die rechten Hände gaben und da er
mit seinem Ringfinger ihre hole Hand gleichsam
hinter einem Bettschirm neckte -- und den Eintritt
in die Hochzeitstube, wo vielleicht die größten und
vornehmsten Leute und Gerichte der Erde einander be¬
gegneten, ein Pfarrer, eine Pfarrerin, ein Sub¬
präfektus und eine Braut. Es wird aber Beifall
finden, daß ich meine Beine auseinander setze und
damit über die ganze Hochzeittafel und Hochzeit¬
trift und über den Nachmittag wegschreite, um zu
hören was sie Abends angeben -- einen und den
andern Tanz giebt der Subpräfektus an. Es ist

und nachher delikater agiren als gegenwaͤrtiger Bio¬
graph ſelbſt?

Der Laͤrm der Kinder und Buͤttner auf der
Gaſſe und der Rezenſenten in Leipzig hindern den
Biographen, alles ausfuͤhrlich herzuſetzen, die
praͤchtigen Eckenbeſchlaͤge und dreifachen Manſchet¬
ten, womit der Braͤutigam jede Zeile des Chorals
verſah — den hoͤlzernen Engelsſittich, woran er ſei¬
nen Kurhut zum Chor hinaus hieng — den Namen
Juſtine an den Pedalpfeifen — ſeinen Spas und
ſeine Luſt, da ſie einander vor der Kirchenagende
(der goldnen Bulle und die Reichsgrundgeſetze des
Eheregiments) die rechten Haͤnde gaben und da er
mit ſeinem Ringfinger ihre hole Hand gleichſam
hinter einem Bettſchirm neckte — und den Eintritt
in die Hochzeitſtube, wo vielleicht die groͤßten und
vornehmſten Leute und Gerichte der Erde einander be¬
gegneten, ein Pfarrer, eine Pfarrerin, ein Sub¬
praͤfektus und eine Braut. Es wird aber Beifall
finden, daß ich meine Beine auseinander ſetze und
damit uͤber die ganze Hochzeittafel und Hochzeit¬
trift und uͤber den Nachmittag wegſchreite, um zu
hoͤren was ſie Abends angeben — einen und den
andern Tanz giebt der Subpraͤfektus an. Es iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0437" n="427"/>
und nachher delikater agiren als gegenwa&#x0364;rtiger Bio¬<lb/>
graph &#x017F;elb&#x017F;t?</p><lb/>
          <p>Der La&#x0364;rm der Kinder und Bu&#x0364;ttner auf der<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;e und der Rezen&#x017F;enten in Leipzig hindern den<lb/>
Biographen, alles ausfu&#x0364;hrlich herzu&#x017F;etzen, die<lb/>
pra&#x0364;chtigen Eckenbe&#x017F;chla&#x0364;ge und dreifachen Man&#x017F;chet¬<lb/>
ten, womit der Bra&#x0364;utigam jede Zeile des Chorals<lb/>
ver&#x017F;ah &#x2014; den ho&#x0364;lzernen Engels&#x017F;ittich, woran er &#x017F;ei¬<lb/>
nen Kurhut zum Chor hinaus hieng &#x2014; den Namen<lb/>
Ju&#x017F;tine an den Pedalpfeifen &#x2014; &#x017F;einen Spas und<lb/>
&#x017F;eine Lu&#x017F;t, da &#x017F;ie einander vor der Kirchenagende<lb/>
(der goldnen Bulle und die Reichsgrundge&#x017F;etze des<lb/>
Eheregiments) die rechten Ha&#x0364;nde gaben und da er<lb/>
mit &#x017F;einem Ringfinger ihre hole Hand gleich&#x017F;am<lb/>
hinter einem Bett&#x017F;chirm neckte &#x2014; und den Eintritt<lb/>
in die Hochzeit&#x017F;tube, wo vielleicht die gro&#x0364;ßten und<lb/>
vornehm&#x017F;ten Leute und Gerichte der Erde einander be¬<lb/>
gegneten, ein Pfarrer, eine Pfarrerin, ein Sub¬<lb/>
pra&#x0364;fektus und eine Braut. Es wird aber Beifall<lb/>
finden, daß ich meine Beine auseinander &#x017F;etze und<lb/>
damit u&#x0364;ber die ganze Hochzeittafel und Hochzeit¬<lb/>
trift und u&#x0364;ber den Nachmittag weg&#x017F;chreite, um zu<lb/>
ho&#x0364;ren was &#x017F;ie Abends angeben &#x2014; einen und den<lb/>
andern Tanz giebt der Subpra&#x0364;fektus an. Es i&#x017F;t<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[427/0437] und nachher delikater agiren als gegenwaͤrtiger Bio¬ graph ſelbſt? Der Laͤrm der Kinder und Buͤttner auf der Gaſſe und der Rezenſenten in Leipzig hindern den Biographen, alles ausfuͤhrlich herzuſetzen, die praͤchtigen Eckenbeſchlaͤge und dreifachen Manſchet¬ ten, womit der Braͤutigam jede Zeile des Chorals verſah — den hoͤlzernen Engelsſittich, woran er ſei¬ nen Kurhut zum Chor hinaus hieng — den Namen Juſtine an den Pedalpfeifen — ſeinen Spas und ſeine Luſt, da ſie einander vor der Kirchenagende (der goldnen Bulle und die Reichsgrundgeſetze des Eheregiments) die rechten Haͤnde gaben und da er mit ſeinem Ringfinger ihre hole Hand gleichſam hinter einem Bettſchirm neckte — und den Eintritt in die Hochzeitſtube, wo vielleicht die groͤßten und vornehmſten Leute und Gerichte der Erde einander be¬ gegneten, ein Pfarrer, eine Pfarrerin, ein Sub¬ praͤfektus und eine Braut. Es wird aber Beifall finden, daß ich meine Beine auseinander ſetze und damit uͤber die ganze Hochzeittafel und Hochzeit¬ trift und uͤber den Nachmittag wegſchreite, um zu hoͤren was ſie Abends angeben — einen und den andern Tanz giebt der Subpraͤfektus an. Es iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/437
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/437>, abgerufen am 25.11.2024.