allein mit andern Worten: "Er würde wahrhaftig nicht so dumm seyn, daß er Federn nähme und die besten Werke machte, wenn er nichts brauchte als bloß den Beutel aufzubinden und sie zu erhan¬ deln. Allein er habe nichts darin als zwei schwar¬ ze Hemdknöpfe und einen kothigen Kreuzer. Woll' er mithin etwas Gescheutes lesen z. B. aus der praktischen Arzneikunde und aus der Kranken-Uni¬ versalhistorie: so müss' er sich an seinen triefenden Fensterstock setzen und den Bettel ersinnen. An wen woll' er sich wenden, um den Hintergrund des Frei¬ mäurer-Geheimnisses auszuhorchen, an welches Dionysius Ohr mein' er als an seine zwei eigne? Auf diese, an seinen eignen Kopf angeöhrten hör' er sehr und indem er die Freimäurer-Reden, die er schreibe, genau durchlese und zu verstehen trach¬ te: so merk' er zuletzt allerhand Wunderdinge und komme weit und rieche im Ganzen genommen Lun¬ ten. Da er von Chemie und Alchemie so viel wisse wie Adam nach dem Fall, als er alles vergessen hatte: so sei ihm ein rechter Gefallen geschehen, daß er sich den annulus Platonis geschmiedet, die¬ sen silbernen Ring um den Blei-Saturn, diesen Gyges-Ring, der so vielerlei unsichtbar mache,
allein mit andern Worten: „Er wuͤrde wahrhaftig nicht ſo dumm ſeyn, daß er Federn naͤhme und die beſten Werke machte, wenn er nichts brauchte als bloß den Beutel aufzubinden und ſie zu erhan¬ deln. Allein er habe nichts darin als zwei ſchwar¬ ze Hemdknoͤpfe und einen kothigen Kreuzer. Woll' er mithin etwas Geſcheutes leſen z. B. aus der praktiſchen Arzneikunde und aus der Kranken-Uni¬ verſalhiſtorie: ſo muͤſſ' er ſich an ſeinen triefenden Fenſterſtock ſetzen und den Bettel erſinnen. An wen woll' er ſich wenden, um den Hintergrund des Frei¬ maͤurer-Geheimniſſes auszuhorchen, an welches Dionyſius Ohr mein' er als an ſeine zwei eigne? Auf dieſe, an ſeinen eignen Kopf angeoͤhrten hoͤr' er ſehr und indem er die Freimaͤurer-Reden, die er ſchreibe, genau durchleſe und zu verſtehen trach¬ te: ſo merk' er zuletzt allerhand Wunderdinge und komme weit und rieche im Ganzen genommen Lun¬ ten. Da er von Chemie und Alchemie ſo viel wiſſe wie Adam nach dem Fall, als er alles vergeſſen hatte: ſo ſei ihm ein rechter Gefallen geſchehen, daß er ſich den annulus Platonis geſchmiedet, die¬ ſen ſilbernen Ring um den Blei-Saturn, dieſen Gyges-Ring, der ſo vielerlei unſichtbar mache,
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allein mit andern Worten: „Er wuͤrde wahrhaftig
nicht ſo dumm ſeyn, daß er Federn naͤhme und
die beſten Werke machte, wenn er nichts brauchte
als bloß den Beutel aufzubinden und ſie zu erhan¬
deln. Allein er habe nichts darin als zwei ſchwar¬
ze Hemdknoͤpfe und einen kothigen Kreuzer. Woll'
er mithin etwas Geſcheutes leſen z. B. aus der
praktiſchen Arzneikunde und aus der Kranken-Uni¬
verſalhiſtorie: ſo muͤſſ' er ſich an ſeinen triefenden
Fenſterſtock ſetzen und den Bettel erſinnen. An wen
woll' er ſich wenden, um den Hintergrund des Frei¬
maͤurer-Geheimniſſes auszuhorchen, an welches
Dionyſius Ohr mein' er als an ſeine zwei eigne?
Auf dieſe, an ſeinen eignen Kopf angeoͤhrten hoͤr'
er ſehr und indem er die Freimaͤurer-Reden, die
er ſchreibe, genau durchleſe und zu verſtehen trach¬
te: ſo merk' er zuletzt allerhand Wunderdinge und
komme weit und rieche im Ganzen genommen Lun¬
ten. Da er von Chemie und Alchemie ſo viel wiſſe
wie Adam nach dem Fall, als er alles vergeſſen
hatte: ſo ſei ihm ein rechter Gefallen geſchehen,
daß er ſich den annulus Platonis geſchmiedet, die¬
ſen ſilbernen Ring um den Blei-Saturn, dieſen
Gyges-Ring, der ſo vielerlei unſichtbar mache,
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/391>, abgerufen am 22.11.2024.
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