Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

oder das Junge derselben, ein Bär, ein Pferd
oder gar der Wagen daran. Glaubt mir! ein Se¬
raph findet auch in unsern Kollegien und Hör¬
sälen keine Geschäfte sondern nur Spiele und, wenn
ers hoch treibt, jene zweierlei Spiele.

Indeß hatt' er auch wie alle Philosophen seine
ernsthaftesten Geschäfte und Stunden. Setzte er
nicht schon längst -- ehe die brandenburgischen er¬
wachsenen Geistlichen nur fünf Fäden von buntem
Ueberzug umthaten -- sich dadurch über große
Vorurtheile weg, daß er eine blaue Schürze die
seltner der geistliche Ornat als der in ein Amt tra¬
gende D. Fausts Mantel guter Kandidaten ist, Vor¬
mittags über sich warf und in diesem kouleurten
Meßgewand der Magd seines Vaters die vielen
Sünden vorhielt, die sie um Himmel und Hölle
bringen konnten? -- ja er grif seinen eignen Va¬
ter an, aber Nachmittags: denn wenn er diesem
Kobers Kabinetsprediger vorlas, wars seine in¬
nige Freude, dann und wann zwei, drei Worte
oder gar Zeilen aus eignen Ideen einzuschalten und
diese Interpolation mit weg zu lesen, als spräche
H. Kober selbst mit seinem Vater. Ich denke, ich
werfe durch diese Personalie vieles Licht auf ihn

A a 2

oder das Junge derſelben, ein Baͤr, ein Pferd
oder gar der Wagen daran. Glaubt mir! ein Se¬
raph findet auch in unſern Kollegien und Hoͤr¬
ſaͤlen keine Geſchaͤfte ſondern nur Spiele und, wenn
ers hoch treibt, jene zweierlei Spiele.

Indeß hatt' er auch wie alle Philoſophen ſeine
ernſthafteſten Geſchaͤfte und Stunden. Setzte er
nicht ſchon laͤngſt — ehe die brandenburgiſchen er¬
wachſenen Geiſtlichen nur fuͤnf Faͤden von buntem
Ueberzug umthaten — ſich dadurch uͤber große
Vorurtheile weg, daß er eine blaue Schuͤrze die
ſeltner der geiſtliche Ornat als der in ein Amt tra¬
gende D. Fauſts Mantel guter Kandidaten iſt, Vor¬
mittags uͤber ſich warf und in dieſem kouleurten
Meßgewand der Magd ſeines Vaters die vielen
Suͤnden vorhielt, die ſie um Himmel und Hoͤlle
bringen konnten? — ja er grif ſeinen eignen Va¬
ter an, aber Nachmittags: denn wenn er dieſem
Kobers Kabinetsprediger vorlas, wars ſeine in¬
nige Freude, dann und wann zwei, drei Worte
oder gar Zeilen aus eignen Ideen einzuſchalten und
dieſe Interpolation mit weg zu leſen, als ſpraͤche
H. Kober ſelbſt mit ſeinem Vater. Ich denke, ich
werfe durch dieſe Perſonalie vieles Licht auf ihn

A a 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0381" n="371"/>
oder das Junge der&#x017F;elben, ein Ba&#x0364;r, ein Pferd<lb/>
oder gar der Wagen daran. Glaubt mir! ein Se¬<lb/>
raph findet auch in un&#x017F;ern Kollegien und Ho&#x0364;<lb/>
&#x017F;a&#x0364;len keine Ge&#x017F;cha&#x0364;fte &#x017F;ondern nur Spiele und, wenn<lb/>
ers hoch treibt, jene zweierlei Spiele.</p><lb/>
          <p>Indeß hatt' er auch wie alle Philo&#x017F;ophen &#x017F;eine<lb/>
ern&#x017F;thafte&#x017F;ten Ge&#x017F;cha&#x0364;fte und Stunden. Setzte er<lb/>
nicht &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t &#x2014; ehe die brandenburgi&#x017F;chen er¬<lb/>
wach&#x017F;enen Gei&#x017F;tlichen nur fu&#x0364;nf Fa&#x0364;den von buntem<lb/>
Ueberzug umthaten &#x2014; &#x017F;ich dadurch u&#x0364;ber große<lb/>
Vorurtheile weg, daß er eine blaue Schu&#x0364;rze die<lb/>
&#x017F;eltner der gei&#x017F;tliche Ornat als der in ein Amt tra¬<lb/>
gende <hi rendition="#aq">D</hi>. Fau&#x017F;ts Mantel guter Kandidaten i&#x017F;t, Vor¬<lb/>
mittags u&#x0364;ber &#x017F;ich warf und in die&#x017F;em kouleurten<lb/>
Meßgewand der Magd &#x017F;eines Vaters die vielen<lb/>
Su&#x0364;nden vorhielt, die &#x017F;ie um Himmel und Ho&#x0364;lle<lb/>
bringen konnten? &#x2014; ja er grif &#x017F;einen eignen Va¬<lb/>
ter an, aber Nachmittags: denn wenn er die&#x017F;em<lb/><hi rendition="#g">Kobers</hi> Kabinetsprediger vorlas, wars &#x017F;eine in¬<lb/>
nige Freude, dann und wann zwei, drei Worte<lb/>
oder gar Zeilen aus eignen Ideen einzu&#x017F;chalten und<lb/>
die&#x017F;e Interpolation mit weg zu le&#x017F;en, als &#x017F;pra&#x0364;che<lb/>
H. Kober &#x017F;elb&#x017F;t mit &#x017F;einem Vater. Ich denke, ich<lb/>
werfe durch die&#x017F;e Per&#x017F;onalie vieles Licht auf ihn<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[371/0381] oder das Junge derſelben, ein Baͤr, ein Pferd oder gar der Wagen daran. Glaubt mir! ein Se¬ raph findet auch in unſern Kollegien und Hoͤr¬ ſaͤlen keine Geſchaͤfte ſondern nur Spiele und, wenn ers hoch treibt, jene zweierlei Spiele. Indeß hatt' er auch wie alle Philoſophen ſeine ernſthafteſten Geſchaͤfte und Stunden. Setzte er nicht ſchon laͤngſt — ehe die brandenburgiſchen er¬ wachſenen Geiſtlichen nur fuͤnf Faͤden von buntem Ueberzug umthaten — ſich dadurch uͤber große Vorurtheile weg, daß er eine blaue Schuͤrze die ſeltner der geiſtliche Ornat als der in ein Amt tra¬ gende D. Fauſts Mantel guter Kandidaten iſt, Vor¬ mittags uͤber ſich warf und in dieſem kouleurten Meßgewand der Magd ſeines Vaters die vielen Suͤnden vorhielt, die ſie um Himmel und Hoͤlle bringen konnten? — ja er grif ſeinen eignen Va¬ ter an, aber Nachmittags: denn wenn er dieſem Kobers Kabinetsprediger vorlas, wars ſeine in¬ nige Freude, dann und wann zwei, drei Worte oder gar Zeilen aus eignen Ideen einzuſchalten und dieſe Interpolation mit weg zu leſen, als ſpraͤche H. Kober ſelbſt mit ſeinem Vater. Ich denke, ich werfe durch dieſe Perſonalie vieles Licht auf ihn A a 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/381
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/381>, abgerufen am 22.11.2024.