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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Beata gab Gustav, als Wink zum Abschied,
das begehrte Blatt -- er drückte die Hand, aus der
es kam, an seinen stillen Mund -- er konnte weder
Dank noch Lebewohl sagen -- er nahm ihre zweite
Hand und alles rief und wiederholte in ihm "sie ist ja
wieder dein und bleibt es ewig" und er mußte wei¬
nen über seine Seligkeit. -- Beata sah ihm in sein
überströmendes Herz und ihres floß in eine Thräne
über und sie wußt' es noch nicht -- aber als die
Thräne des heiligsten Auges auf die Rofenwange
glitt und an diesem Rosenblatte mit erzitterndem
Schimmer hieng -- als seine fesselnde und ihre ge¬
fesselte Hände sie nicht trocknen konnten -- als er
mit seinem flammenden Angesicht, mit seiner über¬
seligen zerspringenden Brust die Zähre nehmen woll¬
te und sich nach dem Schönsten auf der Erde wie
eine Entzückung nach der Tugend neigte und mit
seinem Gesicht das ihrige berührte: dann führte
der Engel, der die Erde liebt, die zwei frömm¬
sten Lippen zu einem unauslöschlichen Kusse zusam¬
men -- dann versanken alle Bäume, vergiengen
alle Sonnen, verflogen alle Himmel und Himmel
und Erde hielt Gustav in einem einzigen Herz an
seiner Brust -- dann giengest du, Seraph, in

Beata gab Guſtav, als Wink zum Abſchied,
das begehrte Blatt — er druͤckte die Hand, aus der
es kam, an ſeinen ſtillen Mund — er konnte weder
Dank noch Lebewohl ſagen — er nahm ihre zweite
Hand und alles rief und wiederholte in ihm „ſie iſt ja
wieder dein und bleibt es ewig“ und er mußte wei¬
nen uͤber ſeine Seligkeit. — Beata ſah ihm in ſein
uͤberſtroͤmendes Herz und ihres floß in eine Thraͤne
uͤber und ſie wußt' es noch nicht — aber als die
Thraͤne des heiligſten Auges auf die Rofenwange
glitt und an dieſem Roſenblatte mit erzitterndem
Schimmer hieng — als ſeine feſſelnde und ihre ge¬
feſſelte Haͤnde ſie nicht trocknen konnten — als er
mit ſeinem flammenden Angeſicht, mit ſeiner uͤber¬
ſeligen zerſpringenden Bruſt die Zaͤhre nehmen woll¬
te und ſich nach dem Schoͤnſten auf der Erde wie
eine Entzuͤckung nach der Tugend neigte und mit
ſeinem Geſicht das ihrige beruͤhrte: dann fuͤhrte
der Engel, der die Erde liebt, die zwei froͤmm¬
ſten Lippen zu einem unausloͤſchlichen Kuſſe zuſam¬
men — dann verſanken alle Baͤume, vergiengen
alle Sonnen, verflogen alle Himmel und Himmel
und Erde hielt Guſtav in einem einzigen Herz an
ſeiner Bruſt — dann giengeſt du, Seraph, in

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[351/0361] Beata gab Guſtav, als Wink zum Abſchied, das begehrte Blatt — er druͤckte die Hand, aus der es kam, an ſeinen ſtillen Mund — er konnte weder Dank noch Lebewohl ſagen — er nahm ihre zweite Hand und alles rief und wiederholte in ihm „ſie iſt ja wieder dein und bleibt es ewig“ und er mußte wei¬ nen uͤber ſeine Seligkeit. — Beata ſah ihm in ſein uͤberſtroͤmendes Herz und ihres floß in eine Thraͤne uͤber und ſie wußt' es noch nicht — aber als die Thraͤne des heiligſten Auges auf die Rofenwange glitt und an dieſem Roſenblatte mit erzitterndem Schimmer hieng — als ſeine feſſelnde und ihre ge¬ feſſelte Haͤnde ſie nicht trocknen konnten — als er mit ſeinem flammenden Angeſicht, mit ſeiner uͤber¬ ſeligen zerſpringenden Bruſt die Zaͤhre nehmen woll¬ te und ſich nach dem Schoͤnſten auf der Erde wie eine Entzuͤckung nach der Tugend neigte und mit ſeinem Geſicht das ihrige beruͤhrte: dann fuͤhrte der Engel, der die Erde liebt, die zwei froͤmm¬ ſten Lippen zu einem unausloͤſchlichen Kuſſe zuſam¬ men — dann verſanken alle Baͤume, vergiengen alle Sonnen, verflogen alle Himmel und Himmel und Erde hielt Guſtav in einem einzigen Herz an ſeiner Bruſt — dann giengeſt du, Seraph, in

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/361>, abgerufen am 25.11.2024.