fein gesagt hatte: "welches Original?" denn er hatte zur lebendigen Venus nichts gesagt.
Er wars auch nicht im Stande: denn sie stand vor ihm mit allen Reizen, die einer Juno bleiben, wenn man ihr den holden Teint der ersten Unschuld nimmt, mit ihrem Plümagen-Nimbuß, den ihr in Unterscheerau hundert nachtragen, weil sie mit we¬ nigen meiner Leserinnen, die auch mehr Federn auf¬ setzen als sie in ihrem Leben Federn schließen wer¬ den, so viel herausgebracht haben, daß jede Juno eine Göttin und jede Göttin eine Juno seyn und daß man Damenköpfe und Klaviere stets, bekielen müsse.
Sie fragte ihn nach dem Namen seines Zei¬ chenmeisters (des Genius;) seinen eignen sagte sie ihm selbst. Sie konnte Achtung sich erwerben, bei allen ihren Fehltritten, und ihre Sünden und der Teufel schienen ihr nur als Kammermohren nachzu¬ treten: ihr Gesicht und ihr Benehmen trug das in¬ nere Bewustseyn ihrer restierenden Tugenden und ih¬ rer Talente. Gleich wohl merkte sie an der scheuen Ehrfurcht, die Gustav weniger ihrem Stande und Werthe als ihrem Geschlecht erwieß, daß er wenig Welt hätte. Sie verließ alle Umwege und gieng ihn
fein geſagt hatte: „welches Original?“ denn er hatte zur lebendigen Venus nichts geſagt.
Er wars auch nicht im Stande: denn ſie ſtand vor ihm mit allen Reizen, die einer Juno bleiben, wenn man ihr den holden Teint der erſten Unſchuld nimmt, mit ihrem Pluͤmagen-Nimbuß, den ihr in Unterſcheerau hundert nachtragen, weil ſie mit we¬ nigen meiner Leſerinnen, die auch mehr Federn auf¬ ſetzen als ſie in ihrem Leben Federn ſchließen wer¬ den, ſo viel herausgebracht haben, daß jede Juno eine Goͤttin und jede Goͤttin eine Juno ſeyn und daß man Damenkoͤpfe und Klaviere ſtets, bekielen muͤſſe.
Sie fragte ihn nach dem Namen ſeines Zei¬ chenmeiſters (des Genius;) ſeinen eignen ſagte ſie ihm ſelbſt. Sie konnte Achtung ſich erwerben, bei allen ihren Fehltritten, und ihre Suͤnden und der Teufel ſchienen ihr nur als Kammermohren nachzu¬ treten: ihr Geſicht und ihr Benehmen trug das in¬ nere Bewuſtſeyn ihrer reſtierenden Tugenden und ih¬ rer Talente. Gleich wohl merkte ſie an der ſcheuen Ehrfurcht, die Guſtav weniger ihrem Stande und Werthe als ihrem Geſchlecht erwieß, daß er wenig Welt haͤtte. Sie verließ alle Umwege und gieng ihn
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fein geſagt hatte: „welches Original?“ denn
er hatte zur lebendigen Venus nichts geſagt.
Er wars auch nicht im Stande: denn ſie ſtand
vor ihm mit allen Reizen, die einer Juno bleiben,
wenn man ihr den holden Teint der erſten Unſchuld
nimmt, mit ihrem Pluͤmagen-Nimbuß, den ihr in
Unterſcheerau hundert nachtragen, weil ſie mit we¬
nigen meiner Leſerinnen, die auch mehr Federn auf¬
ſetzen als ſie in ihrem Leben Federn ſchließen wer¬
den, ſo viel herausgebracht haben, daß jede Juno
eine Goͤttin und jede Goͤttin eine Juno ſeyn und
daß man Damenkoͤpfe und Klaviere ſtets, bekielen
muͤſſe.
Sie fragte ihn nach dem Namen ſeines Zei¬
chenmeiſters (des Genius;) ſeinen eignen ſagte ſie
ihm ſelbſt. Sie konnte Achtung ſich erwerben, bei
allen ihren Fehltritten, und ihre Suͤnden und der
Teufel ſchienen ihr nur als Kammermohren nachzu¬
treten: ihr Geſicht und ihr Benehmen trug das in¬
nere Bewuſtſeyn ihrer reſtierenden Tugenden und ih¬
rer Talente. Gleich wohl merkte ſie an der ſcheuen
Ehrfurcht, die Guſtav weniger ihrem Stande und
Werthe als ihrem Geſchlecht erwieß, daß er wenig
Welt haͤtte. Sie verließ alle Umwege und gieng ihn
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/35>, abgerufen am 24.11.2024.
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