Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.gaukelnder Wind unter einem Schneegestöber von gaukelnder Wind unter einem Schneegeſtoͤber von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0329" n="319"/> gaukelnder Wind unter einem Schneegeſtoͤber von<lb/> Funken und bunten Feuerflocken, Seelen mit See¬<lb/> len und Blumen zuſammen, warum woͤlkte die<lb/> verſtorbnen Menſchen ein ſo ſuͤßer und ſo ſpielender<lb/> Todtentraum ein? — O darum: die nagenden<lb/> Wunden des Lebens ſollte der Balſamhauch dieſes<lb/> unermeßlichen Fruͤhlings verſchlieſſen und der von<lb/> den Stoͤßen der vorigen Erde noch blutende Menſch<lb/> ſollte unter den Blumen zuheilen fuͤr den kuͤnftigen<lb/> Himmel, wo die groͤßere Tugend und Kenntniß<lb/> eine geneſene Seele begehrt. — Denn ach! die<lb/> Seele leidet ja hier gar zu viel! — Wenn auf je¬<lb/> nem Schneegefilde eine Seele die andre umfaßte:<lb/> ſo ſchmolzen ſie aus Liebe in Einen gluͤhenden Thau¬<lb/> tropfen ein; er zitterte dann an einer Blume her¬<lb/> ab und ſie hauchte ihn wieder entzweigetheilt als<lb/> heiligen Weihrauch empor. — Hoch uͤber dem Bluͤ¬<lb/> tenfeld ſtand Gottes Paradies, aus dem das Echo<lb/> ſeiner himmliſchen Toͤne in Geſtalt eines Bachs in<lb/> die Ebene hernieder wallete: ſein Wohllaut durch¬<lb/> kreuzte in allen Kruͤmmungen das Unter-Paradies<lb/> und die trunknen Seelen ſtuͤrzten ſich aus Wonne<lb/> von den Ufer-Blumen in den Floͤtenſtrom; im<lb/> Nachhall des Paradieſes erſtarben ihnen alle Sinne<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [319/0329]
gaukelnder Wind unter einem Schneegeſtoͤber von
Funken und bunten Feuerflocken, Seelen mit See¬
len und Blumen zuſammen, warum woͤlkte die
verſtorbnen Menſchen ein ſo ſuͤßer und ſo ſpielender
Todtentraum ein? — O darum: die nagenden
Wunden des Lebens ſollte der Balſamhauch dieſes
unermeßlichen Fruͤhlings verſchlieſſen und der von
den Stoͤßen der vorigen Erde noch blutende Menſch
ſollte unter den Blumen zuheilen fuͤr den kuͤnftigen
Himmel, wo die groͤßere Tugend und Kenntniß
eine geneſene Seele begehrt. — Denn ach! die
Seele leidet ja hier gar zu viel! — Wenn auf je¬
nem Schneegefilde eine Seele die andre umfaßte:
ſo ſchmolzen ſie aus Liebe in Einen gluͤhenden Thau¬
tropfen ein; er zitterte dann an einer Blume her¬
ab und ſie hauchte ihn wieder entzweigetheilt als
heiligen Weihrauch empor. — Hoch uͤber dem Bluͤ¬
tenfeld ſtand Gottes Paradies, aus dem das Echo
ſeiner himmliſchen Toͤne in Geſtalt eines Bachs in
die Ebene hernieder wallete: ſein Wohllaut durch¬
kreuzte in allen Kruͤmmungen das Unter-Paradies
und die trunknen Seelen ſtuͤrzten ſich aus Wonne
von den Ufer-Blumen in den Floͤtenſtrom; im
Nachhall des Paradieſes erſtarben ihnen alle Sinne
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