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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Du lehrest mich, liebe Philippine, daß die edel¬
sten Gefühle nicht immer die Koketterie ausschließen
und daß ich außer dem Geschäfte, dich zu lieben, kein
besseres haben kann als das dich zu schelten -- und
deinen Medizinalrath auch, der gegen dich seiner sor¬
genlosen Laune zu weit nachhängt: zum Glück ist sie
noch im Alter, wo Mädgen allemal den lieben, den
sie am längsten gesprochen und wo ihr Herz wie ein
Magnet das alte Eisen fallen lässet, wenn man ein
neues daran bringt.

Beata und Gustav berührten einander die wun¬
den Stellen wie zwei Schneeflocken; sogar in der
Stimme und der Bewegung schilderte sich zärtliches,
schonendes, ehrliebendes, aufopferndes Ansichhalten.
O wenn die Weigerungen der Koketterie schon so viel
geben: wie viel müssen erst die gegenwärtigen der
Tugend geben!

Der Nachmittag war auf den Flügeln der
Schmetterlinge, die neben uns ihre tiefern Blu¬
men suchten, davon geeilet; die Entrevüen nahmen
wie die Augen an Interesse zu und wir schlenterten
(oder schreibt mans mit einem weichen D) auf der
Allee-Terrasse hin, die den Berg wie ein Gürtel
umwindet und auf der das Auge über die Einzäunun¬

Du lehreſt mich, liebe Philippine, daß die edel¬
ſten Gefuͤhle nicht immer die Koketterie ausſchließen
und daß ich außer dem Geſchaͤfte, dich zu lieben, kein
beſſeres haben kann als das dich zu ſchelten — und
deinen Medizinalrath auch, der gegen dich ſeiner ſor¬
genloſen Laune zu weit nachhaͤngt: zum Gluͤck iſt ſie
noch im Alter, wo Maͤdgen allemal den lieben, den
ſie am laͤngſten geſprochen und wo ihr Herz wie ein
Magnet das alte Eiſen fallen laͤſſet, wenn man ein
neues daran bringt.

Beata und Guſtav beruͤhrten einander die wun¬
den Stellen wie zwei Schneeflocken; ſogar in der
Stimme und der Bewegung ſchilderte ſich zaͤrtliches,
ſchonendes, ehrliebendes, aufopferndes Anſichhalten.
O wenn die Weigerungen der Koketterie ſchon ſo viel
geben: wie viel muͤſſen erſt die gegenwaͤrtigen der
Tugend geben!

Der Nachmittag war auf den Fluͤgeln der
Schmetterlinge, die neben uns ihre tiefern Blu¬
men ſuchten, davon geeilet; die Entrevuͤen nahmen
wie die Augen an Intereſſe zu und wir ſchlenterten
(oder ſchreibt mans mit einem weichen D) auf der
Allee-Terraſſe hin, die den Berg wie ein Guͤrtel
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[311/0321] Du lehreſt mich, liebe Philippine, daß die edel¬ ſten Gefuͤhle nicht immer die Koketterie ausſchließen und daß ich außer dem Geſchaͤfte, dich zu lieben, kein beſſeres haben kann als das dich zu ſchelten — und deinen Medizinalrath auch, der gegen dich ſeiner ſor¬ genloſen Laune zu weit nachhaͤngt: zum Gluͤck iſt ſie noch im Alter, wo Maͤdgen allemal den lieben, den ſie am laͤngſten geſprochen und wo ihr Herz wie ein Magnet das alte Eiſen fallen laͤſſet, wenn man ein neues daran bringt. Beata und Guſtav beruͤhrten einander die wun¬ den Stellen wie zwei Schneeflocken; ſogar in der Stimme und der Bewegung ſchilderte ſich zaͤrtliches, ſchonendes, ehrliebendes, aufopferndes Anſichhalten. O wenn die Weigerungen der Koketterie ſchon ſo viel geben: wie viel muͤſſen erſt die gegenwaͤrtigen der Tugend geben! Der Nachmittag war auf den Fluͤgeln der Schmetterlinge, die neben uns ihre tiefern Blu¬ men ſuchten, davon geeilet; die Entrevuͤen nahmen wie die Augen an Intereſſe zu und wir ſchlenterten (oder ſchreibt mans mit einem weichen D) auf der Allee-Terraſſe hin, die den Berg wie ein Guͤrtel umwindet und auf der das Auge uͤber die Einzaͤunun¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/321>, abgerufen am 25.11.2024.