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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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müssen, sagt' ich zu ihm, vier volle Stunden
draussen herumjagen, eh' wir in die Kirche gehen"
-- nämlich nach Ruhestat, wo der vortrefliche
Hr. Bürger aus Großenhayn *) als Gastprediger
auftreten sollte. Alles geschah. Bis diese Stunde
weiß ich nicht, zieh' ich eine laue Sommernacht
oder einen kalten Sommermorgen vor: in jener
rinnt das zerschmolzene Herz in Sehnen aus einan¬
der; dieser härtet das glühende zur Freude zusam¬
men und stählet sein Schlagen. Unsere vier Stun¬
den zu palingenesiren -- müßte man aus hundert
Lust- und Jagdschlössern die Minuten dazu zusam¬
mentragen und es hinkte doch. Die Morgendäm¬
merung ist für den Tag, was der Frühling für den
Sommer ist, wie die Abenddämmerung für die
Nacht, was der Herbst für den Winter. Wir sa¬
hen und hörten und rochen und fühlten wie all¬
mählig ein Stückchen vom Tag nach dem andern
aufwachte -- wie der Morgen über Fluren und
Gärten gieng und sie wie vornehme Morgenzimmer
mit Blüten und Blumen räucherte -- -- wie er so
zu sagen alle Fenster öfnete, damit ein kühlender

*) Seine vor einem Jahre gedruckten Predigten werden nach
dem Geschmack eines jeden seyn, der meinen hat.

muͤſſen, ſagt' ich zu ihm, vier volle Stunden
drauſſen herumjagen, eh' wir in die Kirche gehen“
— naͤmlich nach Ruheſtat, wo der vortrefliche
Hr. Buͤrger aus Großenhayn *) als Gaſtprediger
auftreten ſollte. Alles geſchah. Bis dieſe Stunde
weiß ich nicht, zieh' ich eine laue Sommernacht
oder einen kalten Sommermorgen vor: in jener
rinnt das zerſchmolzene Herz in Sehnen aus einan¬
der; dieſer haͤrtet das gluͤhende zur Freude zuſam¬
men und ſtaͤhlet ſein Schlagen. Unſere vier Stun¬
den zu palingeneſiren — muͤßte man aus hundert
Luſt- und Jagdſchloͤſſern die Minuten dazu zuſam¬
mentragen und es hinkte doch. Die Morgendaͤm¬
merung iſt fuͤr den Tag, was der Fruͤhling fuͤr den
Sommer iſt, wie die Abenddaͤmmerung fuͤr die
Nacht, was der Herbſt fuͤr den Winter. Wir ſa¬
hen und hoͤrten und rochen und fuͤhlten wie all¬
maͤhlig ein Stuͤckchen vom Tag nach dem andern
aufwachte — wie der Morgen uͤber Fluren und
Gaͤrten gieng und ſie wie vornehme Morgenzimmer
mit Bluͤten und Blumen raͤucherte — — wie er ſo
zu ſagen alle Fenſter oͤfnete, damit ein kuͤhlender

*) Seine vor einem Jahre gedruckten Predigten werden nach
dem Geſchmack eines jeden ſeyn, der meinen hat.
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[298/0308] muͤſſen, ſagt' ich zu ihm, vier volle Stunden drauſſen herumjagen, eh' wir in die Kirche gehen“ — naͤmlich nach Ruheſtat, wo der vortrefliche Hr. Buͤrger aus Großenhayn *) als Gaſtprediger auftreten ſollte. Alles geſchah. Bis dieſe Stunde weiß ich nicht, zieh' ich eine laue Sommernacht oder einen kalten Sommermorgen vor: in jener rinnt das zerſchmolzene Herz in Sehnen aus einan¬ der; dieſer haͤrtet das gluͤhende zur Freude zuſam¬ men und ſtaͤhlet ſein Schlagen. Unſere vier Stun¬ den zu palingeneſiren — muͤßte man aus hundert Luſt- und Jagdſchloͤſſern die Minuten dazu zuſam¬ mentragen und es hinkte doch. Die Morgendaͤm¬ merung iſt fuͤr den Tag, was der Fruͤhling fuͤr den Sommer iſt, wie die Abenddaͤmmerung fuͤr die Nacht, was der Herbſt fuͤr den Winter. Wir ſa¬ hen und hoͤrten und rochen und fuͤhlten wie all¬ maͤhlig ein Stuͤckchen vom Tag nach dem andern aufwachte — wie der Morgen uͤber Fluren und Gaͤrten gieng und ſie wie vornehme Morgenzimmer mit Bluͤten und Blumen raͤucherte — — wie er ſo zu ſagen alle Fenſter oͤfnete, damit ein kuͤhlender *) Seine vor einem Jahre gedruckten Predigten werden nach dem Geſchmack eines jeden ſeyn, der meinen hat.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/308>, abgerufen am 22.11.2024.