lich-holden Buchstaben ihres verblichnen Schmerzes gezogen: ihr großes Auge ist ein sonnenheller Him¬ mel, dem glänzende Tropfen entfallen. Da ein Mädchen die Pfauenspiegel ihrer Reize leichter an einem andern Mädchen als an einer Mannsperson entfalten kann: so gewann sie sehr durch das Spiel mit meiner Schwester. Gustav -- fehlte: er trank seinen Brunnen nach und verirrte sich in die Reize der Gegend, um eigentlich den größern Reizen ih¬ rer Bewohnerin zu entkommen. Das Glück ausge¬ nommen, sie zu sehen, kannt' er kein größeres als das, sie nicht zu sehen. Sie spricht nicht von ihm, er nicht von ihr: seine herauswollende Ge¬ danken an sie werden nicht zu Worten sondern zu Erröthungen. Wollte der Himmel, ich faßte statt einer Biographie einen Roman ab: so führt' ich euch, schöne Seelen, einander näher und kon¬ struirte unsern freundschaftlichen Zirkel aus seinen Segmenten wieder; dann bekämen wir hier einen solchen Himmel, daß wenn der Tod vorbei gienge und uns suchte, dieser ehrliche Mann nicht wüßte, ob wir schon drinnen säßen oder von ihm erst hin¬ ein zu schaffen wären . . . .
lich-holden Buchſtaben ihres verblichnen Schmerzes gezogen: ihr großes Auge iſt ein ſonnenheller Him¬ mel, dem glaͤnzende Tropfen entfallen. Da ein Maͤdchen die Pfauenſpiegel ihrer Reize leichter an einem andern Maͤdchen als an einer Mannsperſon entfalten kann: ſo gewann ſie ſehr durch das Spiel mit meiner Schweſter. Guſtav — fehlte: er trank ſeinen Brunnen nach und verirrte ſich in die Reize der Gegend, um eigentlich den groͤßern Reizen ih¬ rer Bewohnerin zu entkommen. Das Gluͤck ausge¬ nommen, ſie zu ſehen, kannt' er kein groͤßeres als das, ſie nicht zu ſehen. Sie ſpricht nicht von ihm, er nicht von ihr: ſeine herauswollende Ge¬ danken an ſie werden nicht zu Worten ſondern zu Erroͤthungen. Wollte der Himmel, ich faßte ſtatt einer Biographie einen Roman ab: ſo fuͤhrt' ich euch, ſchoͤne Seelen, einander naͤher und kon¬ ſtruirte unſern freundſchaftlichen Zirkel aus ſeinen Segmenten wieder; dann bekaͤmen wir hier einen ſolchen Himmel, daß wenn der Tod vorbei gienge und uns ſuchte, dieſer ehrliche Mann nicht wuͤßte, ob wir ſchon drinnen ſaͤßen oder von ihm erſt hin¬ ein zu ſchaffen waͤren . . . .
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lich-holden Buchſtaben ihres verblichnen Schmerzes
gezogen: ihr großes Auge iſt ein ſonnenheller Him¬
mel, dem glaͤnzende Tropfen entfallen. Da ein
Maͤdchen die Pfauenſpiegel ihrer Reize leichter an
einem andern Maͤdchen als an einer Mannsperſon
entfalten kann: ſo gewann ſie ſehr durch das Spiel
mit meiner Schweſter. Guſtav — fehlte: er trank
ſeinen Brunnen nach und verirrte ſich in die Reize
der Gegend, um eigentlich den groͤßern Reizen ih¬
rer Bewohnerin zu entkommen. Das Gluͤck ausge¬
nommen, ſie zu ſehen, kannt' er kein groͤßeres
als das, ſie nicht zu ſehen. Sie ſpricht nicht von
ihm, er nicht von ihr: ſeine herauswollende Ge¬
danken an ſie werden nicht zu Worten ſondern zu
Erroͤthungen. Wollte der Himmel, ich faßte ſtatt
einer Biographie einen Roman ab: ſo fuͤhrt' ich
euch, ſchoͤne Seelen, einander naͤher und kon¬
ſtruirte unſern freundſchaftlichen Zirkel aus ſeinen
Segmenten wieder; dann bekaͤmen wir hier einen
ſolchen Himmel, daß wenn der Tod vorbei gienge
und uns ſuchte, dieſer ehrliche Mann nicht wuͤßte,
ob wir ſchon drinnen ſaͤßen oder von ihm erſt hin¬
ein zu ſchaffen waͤren . . . .
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/302>, abgerufen am 22.11.2024.
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