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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Fürsten halten, die im Winter vor den Thron
kam und die der Pathenbrief eines Räubers mit
der Bitte war, der Fürst möchte dem kleinen
Diebs-Dauphin seinen Namen geben wie einem
Minister und sich seiner annehmen wenn die Eltern
gehenkt wären. Am meisten fielen nur einige pas¬
quillantische Züge auf, die eine feinere Hand ver¬
rathen: z. B. der Staat sei eine Menschenpyra¬
mide, wie sie oft die Seiltänzer formieren und die
Spitze derselben schließe sich mit einem Knaben --
das Volk sei zähe und biegsam wie das Gras, wer¬
de vom Fußtritt nicht zerknickt, wachse wieder
nach, es möge abgebissen oder abgeschnitten wer¬
den und die schönste Höhe desselben für ein monar¬
chisches Auge sei die glattgeschorne des Park-Gra¬
ses -- Diebe und Räuber würden für Separatisten
und Dissenters im Staate gehalten und lebten un¬
ter einem noch ärgern Druck als die Juden, ohne
alle bürgerliche Ehre, von Aemtern ausgeschlossen,
in Hölen wie die ersten Christen und eben solchen
Verfolgungen ausgesetzt; gleichwohl fahre man
solchen Staatsbürgern, die den Luxus und Geld -
Umtrieb und Konsumtion und Handel stärker be¬
förderten als irgend ein Gesandter, bloß darum

Fuͤrſten halten, die im Winter vor den Thron
kam und die der Pathenbrief eines Raͤubers mit
der Bitte war, der Fuͤrſt moͤchte dem kleinen
Diebs-Dauphin ſeinen Namen geben wie einem
Miniſter und ſich ſeiner annehmen wenn die Eltern
gehenkt waͤren. Am meiſten fielen nur einige paſ¬
quillantiſche Zuͤge auf, die eine feinere Hand ver¬
rathen: z. B. der Staat ſei eine Menſchenpyra¬
mide, wie ſie oft die Seiltaͤnzer formieren und die
Spitze derſelben ſchließe ſich mit einem Knaben —
das Volk ſei zaͤhe und biegſam wie das Gras, wer¬
de vom Fußtritt nicht zerknickt, wachſe wieder
nach, es moͤge abgebiſſen oder abgeſchnitten wer¬
den und die ſchoͤnſte Hoͤhe deſſelben fuͤr ein monar¬
chiſches Auge ſei die glattgeſchorne des Park-Gra¬
ſes — Diebe und Raͤuber wuͤrden fuͤr Separatiſten
und Diſſenters im Staate gehalten und lebten un¬
ter einem noch aͤrgern Druck als die Juden, ohne
alle buͤrgerliche Ehre, von Aemtern ausgeſchloſſen,
in Hoͤlen wie die erſten Chriſten und eben ſolchen
Verfolgungen ausgeſetzt; gleichwohl fahre man
ſolchen Staatsbuͤrgern, die den Luxus und Geld –
Umtrieb und Konſumtion und Handel ſtaͤrker be¬
foͤrderten als irgend ein Geſandter, bloß darum

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[278/0288] Fuͤrſten halten, die im Winter vor den Thron kam und die der Pathenbrief eines Raͤubers mit der Bitte war, der Fuͤrſt moͤchte dem kleinen Diebs-Dauphin ſeinen Namen geben wie einem Miniſter und ſich ſeiner annehmen wenn die Eltern gehenkt waͤren. Am meiſten fielen nur einige paſ¬ quillantiſche Zuͤge auf, die eine feinere Hand ver¬ rathen: z. B. der Staat ſei eine Menſchenpyra¬ mide, wie ſie oft die Seiltaͤnzer formieren und die Spitze derſelben ſchließe ſich mit einem Knaben — das Volk ſei zaͤhe und biegſam wie das Gras, wer¬ de vom Fußtritt nicht zerknickt, wachſe wieder nach, es moͤge abgebiſſen oder abgeſchnitten wer¬ den und die ſchoͤnſte Hoͤhe deſſelben fuͤr ein monar¬ chiſches Auge ſei die glattgeſchorne des Park-Gra¬ ſes — Diebe und Raͤuber wuͤrden fuͤr Separatiſten und Diſſenters im Staate gehalten und lebten un¬ ter einem noch aͤrgern Druck als die Juden, ohne alle buͤrgerliche Ehre, von Aemtern ausgeſchloſſen, in Hoͤlen wie die erſten Chriſten und eben ſolchen Verfolgungen ausgeſetzt; gleichwohl fahre man ſolchen Staatsbuͤrgern, die den Luxus und Geld – Umtrieb und Konſumtion und Handel ſtaͤrker be¬ foͤrderten als irgend ein Geſandter, bloß darum

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/288>, abgerufen am 22.11.2024.