war, als fiele der Thurm auf mich, da sie einer wie einen Sack auf den Rücken fassen mußte und sie die dreizehn Treppen so herunter trug." -- Ich war ausser mir, erstlich darüber und zweitens weil ich in meiner Hand die Anstrengung der seinigen zu neuem Schnipsen verspürte: überwältigt sagt ich: "ums Himmels Willen, mein theurer Hr. Vetter, um der guten Seeligen Willen, wenn er seinen eignen Vetter lieb hat . . . ."
"Ich will schon aufhören, sagt'er, wenn Sie's so angreift." --
"Nein, sagt' ich, schnips' er er mir nur nicht so! -- Aber so eine Base bekommen wir beide schwerlich so bald wieder!" Denn ich besann mich nicht mehr.
Und doch besteht das Leben wie ein Miniatur¬ gemälde aus solchen Punkten, aus solchen Augen¬ blicken. Der Stoizismus hält oft die Keule der Stunde, aber nicht den Mückenstachel der Sekun¬ de ab.
Mein Doktor nahm mich ernsthaft (unter dem unbefangnen Fragen meines Vetters: "wie wollte mein H. Vetter?") aus der Stube hinaus und sagte: "du bist, lieber Jean Paul, mein wahrer
war, als fiele der Thurm auf mich, da ſie einer wie einen Sack auf den Ruͤcken faſſen mußte und ſie die dreizehn Treppen ſo herunter trug.“ — Ich war auſſer mir, erſtlich daruͤber und zweitens weil ich in meiner Hand die Anſtrengung der ſeinigen zu neuem Schnipſen verſpuͤrte: uͤberwaͤltigt ſagt ich: „ums Himmels Willen, mein theurer Hr. Vetter, um der guten Seeligen Willen, wenn er ſeinen eignen Vetter lieb hat . . . .“
„Ich will ſchon aufhoͤren, ſagt'er, wenn Sie's ſo angreift.” —
„Nein, ſagt' ich, ſchnipſ' er er mir nur nicht ſo! — Aber ſo eine Baſe bekommen wir beide ſchwerlich ſo bald wieder!“ Denn ich beſann mich nicht mehr.
Und doch beſteht das Leben wie ein Miniatur¬ gemaͤlde aus ſolchen Punkten, aus ſolchen Augen¬ blicken. Der Stoiziſmus haͤlt oft die Keule der Stunde, aber nicht den Muͤckenſtachel der Sekun¬ de ab.
Mein Doktor nahm mich ernſthaft (unter dem unbefangnen Fragen meines Vetters: „wie wollte mein H. Vetter?“) aus der Stube hinaus und ſagte: „du biſt, lieber Jean Paul, mein wahrer
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war, als fiele der Thurm auf mich, da ſie einer
wie einen Sack auf den Ruͤcken faſſen mußte und
ſie die dreizehn Treppen ſo herunter trug.“ — Ich
war auſſer mir, erſtlich daruͤber und zweitens weil
ich in meiner Hand die Anſtrengung der ſeinigen
zu neuem Schnipſen verſpuͤrte: uͤberwaͤltigt ſagt
ich: „ums Himmels Willen, mein theurer Hr.
Vetter, um der guten Seeligen Willen, wenn er
ſeinen eignen Vetter lieb hat . . . .“
„Ich will ſchon aufhoͤren, ſagt'er, wenn Sie's
ſo angreift.” —
„Nein, ſagt' ich, ſchnipſ' er er mir nur nicht
ſo! — Aber ſo eine Baſe bekommen wir beide
ſchwerlich ſo bald wieder!“ Denn ich beſann mich
nicht mehr.
Und doch beſteht das Leben wie ein Miniatur¬
gemaͤlde aus ſolchen Punkten, aus ſolchen Augen¬
blicken. Der Stoiziſmus haͤlt oft die Keule der
Stunde, aber nicht den Muͤckenſtachel der Sekun¬
de ab.
Mein Doktor nahm mich ernſthaft (unter dem
unbefangnen Fragen meines Vetters: „wie wollte
mein H. Vetter?“) aus der Stube hinaus und
ſagte: „du biſt, lieber Jean Paul, mein wahrer
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/275>, abgerufen am 25.11.2024.
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