Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

dir ein hienieden gebrochnes, dort geheiligtes Herz
zuerst entgegengehen und an dich sinken und doch
nicht an seiner Wonne sterben und ich werde wie¬
der sagen: "nimm mich wieder geliebte Seele,
auch ich bin seelig" -- alle irdischen Wunden wer¬
den verschwinden, der Zirkel der Ewigkeit wird
uns umfassen und verbinden! . . ach wir müssen
uns ja erst trennen und dieses Leben währet noch
-- -- lebe länger als ich, weine weniger als ich
und -- vergiß mich doch nicht gänzlich -- ach hast
du mich denn sehr geliebt, du Theure, du Ver¬
scherzte? . . .

Gustav F.

Abends unter dem Zusiegeln des Briefs fuhr
Beata zum Schloß-Thor hinein. Als er ihre Licht¬
gestalt, die bald mit so vielen Thränen sollte be¬
deckt werden, heraus steigen sah: prallte er zu¬
rück, schrieb die Aufschrift, gieng zu Bette und
zog die Vorhänge zu, um recht sanft -- zu wei¬
nen. Dem Romanen-Steinmetz Oefel eilte er
vorzüglich aus dem Wege, weil seine Minen und
Laute nichts als unedle Triumphe seines weißagen¬
den Blickes waren; und sogar Gustavs Niederge¬

dir ein hienieden gebrochnes, dort geheiligtes Herz
zuerſt entgegengehen und an dich ſinken und doch
nicht an ſeiner Wonne ſterben und ich werde wie¬
der ſagen: „nimm mich wieder geliebte Seele,
auch ich bin ſeelig“ — alle irdiſchen Wunden wer¬
den verſchwinden, der Zirkel der Ewigkeit wird
uns umfaſſen und verbinden! . . ach wir muͤſſen
uns ja erſt trennen und dieſes Leben waͤhret noch
— — lebe laͤnger als ich, weine weniger als ich
und — vergiß mich doch nicht gaͤnzlich — ach haſt
du mich denn ſehr geliebt, du Theure, du Ver¬
ſcherzte? . . .

Guſtav F.

Abends unter dem Zuſiegeln des Briefs fuhr
Beata zum Schloß-Thor hinein. Als er ihre Licht¬
geſtalt, die bald mit ſo vielen Thraͤnen ſollte be¬
deckt werden, heraus ſteigen ſah: prallte er zu¬
ruͤck, ſchrieb die Aufſchrift, gieng zu Bette und
zog die Vorhaͤnge zu, um recht ſanft — zu wei¬
nen. Dem Romanen-Steinmetz Oefel eilte er
vorzuͤglich aus dem Wege, weil ſeine Minen und
Laute nichts als unedle Triumphe ſeines weißagen¬
den Blickes waren; und ſogar Guſtavs Niederge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0256" n="246"/>
dir ein hienieden gebrochnes, dort geheiligtes Herz<lb/>
zuer&#x017F;t entgegengehen und an dich &#x017F;inken und doch<lb/>
nicht an &#x017F;einer Wonne &#x017F;terben und ich werde wie¬<lb/>
der &#x017F;agen: &#x201E;nimm mich wieder geliebte Seele,<lb/>
auch ich bin &#x017F;eelig&#x201C; &#x2014; alle irdi&#x017F;chen Wunden wer¬<lb/>
den ver&#x017F;chwinden, der Zirkel der Ewigkeit wird<lb/>
uns umfa&#x017F;&#x017F;en und verbinden! . . ach wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
uns ja er&#x017F;t trennen und die&#x017F;es Leben wa&#x0364;hret noch<lb/>
&#x2014; &#x2014; lebe la&#x0364;nger als ich, weine weniger als ich<lb/>
und &#x2014; vergiß mich doch nicht ga&#x0364;nzlich &#x2014; ach ha&#x017F;t<lb/>
du mich denn &#x017F;ehr geliebt, du Theure, du Ver¬<lb/>
&#x017F;cherzte? . . <choice><sic>¬</sic><corr>.</corr></choice></p><lb/>
          <p rendition="#right">Gu&#x017F;tav F.</p><lb/>
          <p>Abends unter dem Zu&#x017F;iegeln des Briefs fuhr<lb/>
Beata zum Schloß-Thor hinein. Als er ihre Licht¬<lb/>
ge&#x017F;talt, die bald mit &#x017F;o vielen Thra&#x0364;nen &#x017F;ollte be¬<lb/>
deckt werden, heraus &#x017F;teigen &#x017F;ah: prallte er zu¬<lb/>
ru&#x0364;ck, &#x017F;chrieb die Auf&#x017F;chrift, gieng zu Bette und<lb/>
zog die Vorha&#x0364;nge zu, um recht &#x017F;anft &#x2014; zu wei¬<lb/>
nen. Dem Romanen-Steinmetz Oefel eilte er<lb/>
vorzu&#x0364;glich aus dem Wege, weil &#x017F;eine Minen und<lb/>
Laute nichts als unedle Triumphe &#x017F;eines weißagen¬<lb/>
den Blickes waren; und &#x017F;ogar Gu&#x017F;tavs Niederge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0256] dir ein hienieden gebrochnes, dort geheiligtes Herz zuerſt entgegengehen und an dich ſinken und doch nicht an ſeiner Wonne ſterben und ich werde wie¬ der ſagen: „nimm mich wieder geliebte Seele, auch ich bin ſeelig“ — alle irdiſchen Wunden wer¬ den verſchwinden, der Zirkel der Ewigkeit wird uns umfaſſen und verbinden! . . ach wir muͤſſen uns ja erſt trennen und dieſes Leben waͤhret noch — — lebe laͤnger als ich, weine weniger als ich und — vergiß mich doch nicht gaͤnzlich — ach haſt du mich denn ſehr geliebt, du Theure, du Ver¬ ſcherzte? . . . Guſtav F. Abends unter dem Zuſiegeln des Briefs fuhr Beata zum Schloß-Thor hinein. Als er ihre Licht¬ geſtalt, die bald mit ſo vielen Thraͤnen ſollte be¬ deckt werden, heraus ſteigen ſah: prallte er zu¬ ruͤck, ſchrieb die Aufſchrift, gieng zu Bette und zog die Vorhaͤnge zu, um recht ſanft — zu wei¬ nen. Dem Romanen-Steinmetz Oefel eilte er vorzuͤglich aus dem Wege, weil ſeine Minen und Laute nichts als unedle Triumphe ſeines weißagen¬ den Blickes waren; und ſogar Guſtavs Niederge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/256
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/256>, abgerufen am 25.11.2024.