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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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schen Briefes hatte, gab ihr das Glück, daß dieser
Jack sich an diesem Engel eine Hüfte ausrenkte --
Unruhe hat sogar das Schlimme noch, daß sie schö¬
ner macht.

In euerem ganzen Leben, Gustav und Beata,
schluget ihr eure Augen nie mit so verschiednem Ge¬
fühl vor einem Morgen auf als an dem, wo sich
Beata nichts und Gustav alles vorzuwerfen hatte.
Ueber den ganzen versunkenen Frühling seines Le¬
bens schlichtete sich ein langer Winter; er hatte
ausser sich keine Freude, in sich keinen Trost und
vor sich statt der Hofnung Reue.

Er riß sich mit so vieler Schonung als seine
Verzweiflung zuließ, von den Gegenständen seines
Jammers los und jagte sein sprudelndes Blut nach
Auenthal zu Wuz -- in meine Stube. Ich sah an
nichts mehr daß er noch Gefühl und Leben hatte
als am Gewitterregen seiner Augen -- er fieng ver¬
geblich an: unter Blut, Ideen und Thränen gien¬
gen seine Worte unter -- endlich wandte er sich,
hochaufglühend, von mir gegen das Fenster und
erzählte mir, auf Einen Ort blickend, seinen Fall
den er von sich selbst herunter that. -- Darauf um
sich an sich selbst durch seine Beschämung zu rächen, ließ

ſchen Briefes hatte, gab ihr das Gluͤck, daß dieſer
Jack ſich an dieſem Engel eine Huͤfte ausrenkte —
Unruhe hat ſogar das Schlimme noch, daß ſie ſchoͤ¬
ner macht.

In euerem ganzen Leben, Guſtav und Beata,
ſchluget ihr eure Augen nie mit ſo verſchiednem Ge¬
fuͤhl vor einem Morgen auf als an dem, wo ſich
Beata nichts und Guſtav alles vorzuwerfen hatte.
Ueber den ganzen verſunkenen Fruͤhling ſeines Le¬
bens ſchlichtete ſich ein langer Winter; er hatte
auſſer ſich keine Freude, in ſich keinen Troſt und
vor ſich ſtatt der Hofnung Reue.

Er riß ſich mit ſo vieler Schonung als ſeine
Verzweiflung zuließ, von den Gegenſtaͤnden ſeines
Jammers los und jagte ſein ſprudelndes Blut nach
Auenthal zu Wuz — in meine Stube. Ich ſah an
nichts mehr daß er noch Gefuͤhl und Leben hatte
als am Gewitterregen ſeiner Augen — er fieng ver¬
geblich an: unter Blut, Ideen und Thraͤnen gien¬
gen ſeine Worte unter — endlich wandte er ſich,
hochaufgluͤhend, von mir gegen das Fenſter und
erzaͤhlte mir, auf Einen Ort blickend, ſeinen Fall
den er von ſich ſelbſt herunter that. — Darauf um
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[231/0241] ſchen Briefes hatte, gab ihr das Gluͤck, daß dieſer Jack ſich an dieſem Engel eine Huͤfte ausrenkte — Unruhe hat ſogar das Schlimme noch, daß ſie ſchoͤ¬ ner macht. In euerem ganzen Leben, Guſtav und Beata, ſchluget ihr eure Augen nie mit ſo verſchiednem Ge¬ fuͤhl vor einem Morgen auf als an dem, wo ſich Beata nichts und Guſtav alles vorzuwerfen hatte. Ueber den ganzen verſunkenen Fruͤhling ſeines Le¬ bens ſchlichtete ſich ein langer Winter; er hatte auſſer ſich keine Freude, in ſich keinen Troſt und vor ſich ſtatt der Hofnung Reue. Er riß ſich mit ſo vieler Schonung als ſeine Verzweiflung zuließ, von den Gegenſtaͤnden ſeines Jammers los und jagte ſein ſprudelndes Blut nach Auenthal zu Wuz — in meine Stube. Ich ſah an nichts mehr daß er noch Gefuͤhl und Leben hatte als am Gewitterregen ſeiner Augen — er fieng ver¬ geblich an: unter Blut, Ideen und Thraͤnen gien¬ gen ſeine Worte unter — endlich wandte er ſich, hochaufgluͤhend, von mir gegen das Fenſter und erzaͤhlte mir, auf Einen Ort blickend, ſeinen Fall den er von ſich ſelbſt herunter that. — Darauf um ſich an ſich ſelbſt durch ſeine Beſchaͤmung zu raͤchen, ließ

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/241>, abgerufen am 24.11.2024.