Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.gewann auch bei dieser dunkeln Blume. Sie war gewann auch bei dieſer dunkeln Blume. Sie war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0227" n="217"/> gewann auch bei dieſer dunkeln Blume. Sie war<lb/> keine von den Koketten, die die Sinne fruͤher zu<lb/> bewegen ſuchen als das Herz, ſie fiel erſt in dieſes<lb/> mit dem ganzen Heer ihrer Reize ein und fuͤhrte<lb/> nachher aus dieſem, gleichſam in Feindes Land,<lb/> den Krieg gegen <hi rendition="#g">jene</hi>. Sie ſelber war nicht an¬<lb/> ders zu erobern als ſie bekriegte. Wenn die Wei¬<lb/> ber der hoͤhern Klaſſe wie die Epigrammen in ſol¬<lb/> che, die <hi rendition="#g">Witz</hi>, und in andre, die <hi rendition="#g">Empfindung</hi><lb/> haben einzutheilen ſind: ſo glich ſie mehr dem<lb/> griechiſchen als dem galliſchen Epigramm, wiewohl<lb/> die griechiſche Aehnlichkeit taͤglich kleiner wurde.<lb/> Die Maienluft ihres fruͤhern Lebens hatte einmal<lb/> eine weiße Bluͤthe edler Liebe an ihr Herz geweht,<lb/> wie oft ein Bluͤthenblatt zwiſchen die gebaizten<lb/> Federn oder Brillanten-Blumen des Damenhuts<lb/> herunter zittert — aber ihr Stand formte bald ih¬<lb/> ren Buſen zu einem Pot-Pourri um, auf dem ge¬<lb/> mahlte Blumen der Liebe und in dem ein faulen¬<lb/> der Bluͤthen-Schober iſt. Alle ihre Verirrungen<lb/> blieben jedoch in den engern und ſchoͤnern Graͤn¬<lb/> zen, an denen eine unſichtbare Hand eines <hi rendition="#g">un¬<lb/> ausloͤſchlichen</hi> Gefuͤhles ſie anhielt; die Mini¬<lb/> ſterin hatte dieſes Gefuͤhl nie gehabt und ihre Her¬<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [217/0227]
gewann auch bei dieſer dunkeln Blume. Sie war
keine von den Koketten, die die Sinne fruͤher zu
bewegen ſuchen als das Herz, ſie fiel erſt in dieſes
mit dem ganzen Heer ihrer Reize ein und fuͤhrte
nachher aus dieſem, gleichſam in Feindes Land,
den Krieg gegen jene. Sie ſelber war nicht an¬
ders zu erobern als ſie bekriegte. Wenn die Wei¬
ber der hoͤhern Klaſſe wie die Epigrammen in ſol¬
che, die Witz, und in andre, die Empfindung
haben einzutheilen ſind: ſo glich ſie mehr dem
griechiſchen als dem galliſchen Epigramm, wiewohl
die griechiſche Aehnlichkeit taͤglich kleiner wurde.
Die Maienluft ihres fruͤhern Lebens hatte einmal
eine weiße Bluͤthe edler Liebe an ihr Herz geweht,
wie oft ein Bluͤthenblatt zwiſchen die gebaizten
Federn oder Brillanten-Blumen des Damenhuts
herunter zittert — aber ihr Stand formte bald ih¬
ren Buſen zu einem Pot-Pourri um, auf dem ge¬
mahlte Blumen der Liebe und in dem ein faulen¬
der Bluͤthen-Schober iſt. Alle ihre Verirrungen
blieben jedoch in den engern und ſchoͤnern Graͤn¬
zen, an denen eine unſichtbare Hand eines un¬
ausloͤſchlichen Gefuͤhles ſie anhielt; die Mini¬
ſterin hatte dieſes Gefuͤhl nie gehabt und ihre Her¬
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/227 |
Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/227>, abgerufen am 23.07.2024. |