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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Thräne zu Boden und redet nicht! -- Aber
die gute Seele weiß wer sie liebt und schweigt, sie
übersieht das stille Auge nicht, das sie begleitet,
sie vergisset das Herz nicht, das stärker klopft und
doch nicht reden kann und den Seufzer nicht, der
sich verbergen will. -- Aber, Beata, doch! -- wenn
einmal dieses Auge und dieses Herz ihr Schweigen
geendigt, wenn sie in der seligsten Stunde mit al¬
len Kräften der liebenden Natur zur geliebten See¬
le haben sagen dürfen "ich liebe dich:" so ists hart
und schwer, wieder stumm zu werden, es thut so
wehe, das emporgehobne flammende drängende
Herz wieder in eine enge kalte Brust zurückzudrük¬
ken -- dann will im Innersten die stille Freude in
stillen Kummer zerrinnen und schimmert traurig in
diesen, wie der Mond in den Regenbogen, den
die Nacht aufrichtet . . . . Beata! ich kann keine
Bitten haben und keine wagen; ich kann mir das
Eden malen, das mir Beatens Blicke und Worte
geben können, aber ich darf es nicht begehren;
ich muß ans Ufer des Silberschattens, der uns schon
im Traum und jetzt wie ein breiter Strom im Le¬
ben scheidet, mich mit allen meinen Wünschen hef¬
ten: aber, Theuere, wenn ichs nicht zuweilen

Thraͤne zu Boden und redet nicht! — Aber
die gute Seele weiß wer ſie liebt und ſchweigt, ſie
uͤberſieht das ſtille Auge nicht, das ſie begleitet,
ſie vergiſſet das Herz nicht, das ſtaͤrker klopft und
doch nicht reden kann und den Seufzer nicht, der
ſich verbergen will. — Aber, Beata, doch! — wenn
einmal dieſes Auge und dieſes Herz ihr Schweigen
geendigt, wenn ſie in der ſeligſten Stunde mit al¬
len Kraͤften der liebenden Natur zur geliebten See¬
le haben ſagen duͤrfen „ich liebe dich:“ ſo iſts hart
und ſchwer, wieder ſtumm zu werden, es thut ſo
wehe, das emporgehobne flammende draͤngende
Herz wieder in eine enge kalte Bruſt zuruͤckzudruͤk¬
ken — dann will im Innerſten die ſtille Freude in
ſtillen Kummer zerrinnen und ſchimmert traurig in
dieſen, wie der Mond in den Regenbogen, den
die Nacht aufrichtet . . . . Beata! ich kann keine
Bitten haben und keine wagen; ich kann mir das
Eden malen, das mir Beatens Blicke und Worte
geben koͤnnen, aber ich darf es nicht begehren;
ich muß ans Ufer des Silberſchattens, der uns ſchon
im Traum und jetzt wie ein breiter Strom im Le¬
ben ſcheidet, mich mit allen meinen Wuͤnſchen hef¬
ten: aber, Theuere, wenn ichs nicht zuweilen

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[196/0206] Thraͤne zu Boden und redet nicht! — Aber die gute Seele weiß wer ſie liebt und ſchweigt, ſie uͤberſieht das ſtille Auge nicht, das ſie begleitet, ſie vergiſſet das Herz nicht, das ſtaͤrker klopft und doch nicht reden kann und den Seufzer nicht, der ſich verbergen will. — Aber, Beata, doch! — wenn einmal dieſes Auge und dieſes Herz ihr Schweigen geendigt, wenn ſie in der ſeligſten Stunde mit al¬ len Kraͤften der liebenden Natur zur geliebten See¬ le haben ſagen duͤrfen „ich liebe dich:“ ſo iſts hart und ſchwer, wieder ſtumm zu werden, es thut ſo wehe, das emporgehobne flammende draͤngende Herz wieder in eine enge kalte Bruſt zuruͤckzudruͤk¬ ken — dann will im Innerſten die ſtille Freude in ſtillen Kummer zerrinnen und ſchimmert traurig in dieſen, wie der Mond in den Regenbogen, den die Nacht aufrichtet . . . . Beata! ich kann keine Bitten haben und keine wagen; ich kann mir das Eden malen, das mir Beatens Blicke und Worte geben koͤnnen, aber ich darf es nicht begehren; ich muß ans Ufer des Silberſchattens, der uns ſchon im Traum und jetzt wie ein breiter Strom im Le¬ ben ſcheidet, mich mit allen meinen Wuͤnſchen hef¬ ten: aber, Theuere, wenn ichs nicht zuweilen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/206>, abgerufen am 24.11.2024.