Thräne zu Boden und redet nicht! -- Aber die gute Seele weiß wer sie liebt und schweigt, sie übersieht das stille Auge nicht, das sie begleitet, sie vergisset das Herz nicht, das stärker klopft und doch nicht reden kann und den Seufzer nicht, der sich verbergen will. -- Aber, Beata, doch! -- wenn einmal dieses Auge und dieses Herz ihr Schweigen geendigt, wenn sie in der seligsten Stunde mit al¬ len Kräften der liebenden Natur zur geliebten See¬ le haben sagen dürfen "ich liebe dich:" so ists hart und schwer, wieder stumm zu werden, es thut so wehe, das emporgehobne flammende drängende Herz wieder in eine enge kalte Brust zurückzudrük¬ ken -- dann will im Innersten die stille Freude in stillen Kummer zerrinnen und schimmert traurig in diesen, wie der Mond in den Regenbogen, den die Nacht aufrichtet . . . . Beata! ich kann keine Bitten haben und keine wagen; ich kann mir das Eden malen, das mir Beatens Blicke und Worte geben können, aber ich darf es nicht begehren; ich muß ans Ufer des Silberschattens, der uns schon im Traum und jetzt wie ein breiter Strom im Le¬ ben scheidet, mich mit allen meinen Wünschen hef¬ ten: aber, Theuere, wenn ichs nicht zuweilen
Thraͤne zu Boden und redet nicht! — Aber die gute Seele weiß wer ſie liebt und ſchweigt, ſie uͤberſieht das ſtille Auge nicht, das ſie begleitet, ſie vergiſſet das Herz nicht, das ſtaͤrker klopft und doch nicht reden kann und den Seufzer nicht, der ſich verbergen will. — Aber, Beata, doch! — wenn einmal dieſes Auge und dieſes Herz ihr Schweigen geendigt, wenn ſie in der ſeligſten Stunde mit al¬ len Kraͤften der liebenden Natur zur geliebten See¬ le haben ſagen duͤrfen „ich liebe dich:“ ſo iſts hart und ſchwer, wieder ſtumm zu werden, es thut ſo wehe, das emporgehobne flammende draͤngende Herz wieder in eine enge kalte Bruſt zuruͤckzudruͤk¬ ken — dann will im Innerſten die ſtille Freude in ſtillen Kummer zerrinnen und ſchimmert traurig in dieſen, wie der Mond in den Regenbogen, den die Nacht aufrichtet . . . . Beata! ich kann keine Bitten haben und keine wagen; ich kann mir das Eden malen, das mir Beatens Blicke und Worte geben koͤnnen, aber ich darf es nicht begehren; ich muß ans Ufer des Silberſchattens, der uns ſchon im Traum und jetzt wie ein breiter Strom im Le¬ ben ſcheidet, mich mit allen meinen Wuͤnſchen hef¬ ten: aber, Theuere, wenn ichs nicht zuweilen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0206"n="196"/>
Thraͤne zu Boden und redet nicht! — Aber<lb/>
die gute Seele weiß wer ſie liebt und ſchweigt, ſie<lb/>
uͤberſieht das ſtille Auge nicht, das ſie begleitet,<lb/>ſie vergiſſet das Herz nicht, das ſtaͤrker klopft und<lb/>
doch nicht reden kann und den Seufzer nicht, der<lb/>ſich verbergen will. — Aber, Beata, doch! — wenn<lb/>
einmal dieſes Auge und dieſes Herz ihr Schweigen<lb/>
geendigt, wenn ſie in der ſeligſten Stunde mit al¬<lb/>
len Kraͤften der liebenden Natur zur geliebten See¬<lb/>
le haben ſagen duͤrfen „ich liebe dich:“ſo iſts hart<lb/>
und ſchwer, wieder ſtumm zu werden, es thut ſo<lb/>
wehe, das emporgehobne flammende draͤngende<lb/>
Herz wieder in eine enge kalte Bruſt zuruͤckzudruͤk¬<lb/>
ken — dann will im Innerſten die ſtille Freude in<lb/>ſtillen Kummer zerrinnen und ſchimmert traurig in<lb/>
dieſen, wie der Mond in den Regenbogen, den<lb/>
die Nacht aufrichtet . . . . Beata! ich kann keine<lb/>
Bitten haben und keine wagen; ich kann mir das<lb/>
Eden malen, das mir Beatens Blicke und Worte<lb/>
geben koͤnnen, aber ich darf es nicht begehren;<lb/>
ich muß ans Ufer des Silberſchattens, der uns ſchon<lb/>
im Traum und jetzt wie ein breiter Strom im Le¬<lb/>
ben ſcheidet, mich mit allen meinen Wuͤnſchen hef¬<lb/>
ten: aber, Theuere, wenn ichs nicht zuweilen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[196/0206]
Thraͤne zu Boden und redet nicht! — Aber
die gute Seele weiß wer ſie liebt und ſchweigt, ſie
uͤberſieht das ſtille Auge nicht, das ſie begleitet,
ſie vergiſſet das Herz nicht, das ſtaͤrker klopft und
doch nicht reden kann und den Seufzer nicht, der
ſich verbergen will. — Aber, Beata, doch! — wenn
einmal dieſes Auge und dieſes Herz ihr Schweigen
geendigt, wenn ſie in der ſeligſten Stunde mit al¬
len Kraͤften der liebenden Natur zur geliebten See¬
le haben ſagen duͤrfen „ich liebe dich:“ ſo iſts hart
und ſchwer, wieder ſtumm zu werden, es thut ſo
wehe, das emporgehobne flammende draͤngende
Herz wieder in eine enge kalte Bruſt zuruͤckzudruͤk¬
ken — dann will im Innerſten die ſtille Freude in
ſtillen Kummer zerrinnen und ſchimmert traurig in
dieſen, wie der Mond in den Regenbogen, den
die Nacht aufrichtet . . . . Beata! ich kann keine
Bitten haben und keine wagen; ich kann mir das
Eden malen, das mir Beatens Blicke und Worte
geben koͤnnen, aber ich darf es nicht begehren;
ich muß ans Ufer des Silberſchattens, der uns ſchon
im Traum und jetzt wie ein breiter Strom im Le¬
ben ſcheidet, mich mit allen meinen Wuͤnſchen hef¬
ten: aber, Theuere, wenn ichs nicht zuweilen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/206>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.