"Eh' ich dieses schrieb, giengen Sie unaus¬ sprechlich Theuere, mit Lauren den Park hinauf, um die ermattende Sonne, die zwischen zwei gros¬ sen Wollen herabschien, noch ein wenig zu genies¬ sen; zu Ihren Seiten flogen Wolkenschatten da¬ hin, aber mit Ihnen gieng der Sonnenschein. Ich dankte dem Laube, daß es zu Ihren Füßen lag und mir Sie nicht verdecken konnte; aber ich hät¬ te alle dornichte Blätter von der Stechpalme pflük¬ ken wollen, hinter denen Sie verschwanden und von mir giengen. "O könnt' ich ihr -- dacht' ich "-- den herbstlichen Weg mit jungen Blumen und "Schmetterlingen bestreuen, könnt' ich sie mit Blü¬ "then und Nachtigallen umzingeln und vor ihr die "Berge und die Wälder mit dem Frühling überdek¬ "ken: ach! wenn sie dann vor Freude bebte und "mich ansehen und mir danken müßte . . ." Aber diese Blüthen, diese Nachtigallen, diesen Früh¬ ling haben Sie mir gegeben, Sie haben über mein Leben einen ewigen Mai gesandt und aus einem Menschen-Auge Freudenthränen gepresset -- allein was vermag ich zu geben? -- Ach Beata, was hab' ich Ihnen zu geben für dieses ganze Elysium, womit Sie das schwarze Erdreich meines Lebens
„Eh' ich dieſes ſchrieb, giengen Sie unaus¬ ſprechlich Theuere, mit Lauren den Park hinauf, um die ermattende Sonne, die zwiſchen zwei groſ¬ ſen Wollen herabſchien, noch ein wenig zu genieſ¬ ſen; zu Ihren Seiten flogen Wolkenſchatten da¬ hin, aber mit Ihnen gieng der Sonnenſchein. Ich dankte dem Laube, daß es zu Ihren Fuͤßen lag und mir Sie nicht verdecken konnte; aber ich haͤt¬ te alle dornichte Blaͤtter von der Stechpalme pfluͤk¬ ken wollen, hinter denen Sie verſchwanden und von mir giengen. „O koͤnnt' ich ihr — dacht' ich „— den herbſtlichen Weg mit jungen Blumen und „Schmetterlingen beſtreuen, koͤnnt' ich ſie mit Bluͤ¬ „then und Nachtigallen umzingeln und vor ihr die „Berge und die Waͤlder mit dem Fruͤhling uͤberdek¬ „ken: ach! wenn ſie dann vor Freude bebte und „mich anſehen und mir danken muͤßte . . .“ Aber dieſe Bluͤthen, dieſe Nachtigallen, dieſen Fruͤh¬ ling haben Sie mir gegeben, Sie haben uͤber mein Leben einen ewigen Mai geſandt und aus einem Menſchen-Auge Freudenthraͤnen gepreſſet — allein was vermag ich zu geben? — Ach Beata, was hab' ich Ihnen zu geben fuͤr dieſes ganze Elyſium, womit Sie das ſchwarze Erdreich meines Lebens
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„Eh' ich dieſes ſchrieb, giengen Sie unaus¬
ſprechlich Theuere, mit Lauren den Park hinauf,
um die ermattende Sonne, die zwiſchen zwei groſ¬
ſen Wollen herabſchien, noch ein wenig zu genieſ¬
ſen; zu Ihren Seiten flogen Wolkenſchatten da¬
hin, aber mit Ihnen gieng der Sonnenſchein. Ich
dankte dem Laube, daß es zu Ihren Fuͤßen lag
und mir Sie nicht verdecken konnte; aber ich haͤt¬
te alle dornichte Blaͤtter von der Stechpalme pfluͤk¬
ken wollen, hinter denen Sie verſchwanden und
von mir giengen. „O koͤnnt' ich ihr — dacht' ich
„— den herbſtlichen Weg mit jungen Blumen und
„Schmetterlingen beſtreuen, koͤnnt' ich ſie mit Bluͤ¬
„then und Nachtigallen umzingeln und vor ihr die
„Berge und die Waͤlder mit dem Fruͤhling uͤberdek¬
„ken: ach! wenn ſie dann vor Freude bebte und
„mich anſehen und mir danken muͤßte . . .“ Aber
dieſe Bluͤthen, dieſe Nachtigallen, dieſen Fruͤh¬
ling haben Sie mir gegeben, Sie haben uͤber mein
Leben einen ewigen Mai geſandt und aus einem
Menſchen-Auge Freudenthraͤnen gepreſſet — allein
was vermag ich zu geben? — Ach Beata, was
hab' ich Ihnen zu geben fuͤr dieſes ganze Elyſium,
womit Sie das ſchwarze Erdreich meines Lebens
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/204>, abgerufen am 24.11.2024.
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