Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.tönte, mit einer süßern lebhaftern Rührung als So stumm und doch so nahe muß er ihr gegen¬ toͤnte, mit einer ſuͤßern lebhaftern Ruͤhrung als So ſtumm und doch ſo nahe muß er ihr gegen¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0200" n="190"/> toͤnte, mit einer ſuͤßern lebhaftern Ruͤhrung als<lb/> die uͤber einen Dahingegangnen iſt. — — Kurz ſie<lb/> wuͤrden ſich wie alle Liebende weniger verrathen ha¬<lb/> ben, wenn ſie ſich weniger verborgen haͤtten. Die<lb/> Reſidentin ſchien heute was ſie allemal ſchien: ſie<lb/> hatte eine ſtille, <hi rendition="#g">denkende</hi>, nicht <hi rendition="#g">leidenſchaft</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">liche</hi> Verſtellung in ihrer Gewalt und auf ihrem<lb/> Geſicht ſah man nicht die falſchen Minen die auf¬<lb/> richtigen erſt verjagen. — Das ſchoͤnſte Gemaͤlde<lb/> aus dem Nachlaſſe des Ruſſen war nicht zu Hauſe<lb/> ſondern unter dem Kopierpapier des Fuͤrſten. —</p><lb/> <p>So ſtumm und doch ſo nahe muß er ihr gegen¬<lb/> uͤber bleiben; nur mit drei Worten, nur mit ei¬<lb/> nem Druck der ziehenden Hand wenn er ſeine von<lb/> Empfindungen elektriſirte Seele zu entladen wuͤßte!<lb/> — Warum wollen alle unſere Empfindungen aus<lb/> unſerem Herzen in ein fremdes hinuͤber? — Und<lb/> warum hat das Diktionaire des Schmerzens ſo vie¬<lb/> le Alphabete und das der Entzuͤckung und der Lie¬<lb/> be ſo wenige Blaͤtter? — Bloß eine Thraͤne, eine<lb/> druͤckende Hand und eine Singſtimme gab der Welt-<lb/> Genius der Liebe und der Entzuͤckung und ſagte: „re¬<lb/> det damit!“ — Aber hatte Guſtavs Liebe eine<lb/> Zunge, als er (bei einem Abwenden der Reſiden¬<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0200]
toͤnte, mit einer ſuͤßern lebhaftern Ruͤhrung als
die uͤber einen Dahingegangnen iſt. — — Kurz ſie
wuͤrden ſich wie alle Liebende weniger verrathen ha¬
ben, wenn ſie ſich weniger verborgen haͤtten. Die
Reſidentin ſchien heute was ſie allemal ſchien: ſie
hatte eine ſtille, denkende, nicht leidenſchaft¬
liche Verſtellung in ihrer Gewalt und auf ihrem
Geſicht ſah man nicht die falſchen Minen die auf¬
richtigen erſt verjagen. — Das ſchoͤnſte Gemaͤlde
aus dem Nachlaſſe des Ruſſen war nicht zu Hauſe
ſondern unter dem Kopierpapier des Fuͤrſten. —
So ſtumm und doch ſo nahe muß er ihr gegen¬
uͤber bleiben; nur mit drei Worten, nur mit ei¬
nem Druck der ziehenden Hand wenn er ſeine von
Empfindungen elektriſirte Seele zu entladen wuͤßte!
— Warum wollen alle unſere Empfindungen aus
unſerem Herzen in ein fremdes hinuͤber? — Und
warum hat das Diktionaire des Schmerzens ſo vie¬
le Alphabete und das der Entzuͤckung und der Lie¬
be ſo wenige Blaͤtter? — Bloß eine Thraͤne, eine
druͤckende Hand und eine Singſtimme gab der Welt-
Genius der Liebe und der Entzuͤckung und ſagte: „re¬
det damit!“ — Aber hatte Guſtavs Liebe eine
Zunge, als er (bei einem Abwenden der Reſiden¬
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/200>, abgerufen am 23.07.2024. |