Tapeten herum) und zu den Göttern käme." Das war bloß satyrische Bosheit. Bekanntlich ists schon ein bewährter Paragraph in der Aesthetik aller Ele¬ gants, daß sie -- und ist mein Bruder in Lyon an¬ ders -- den Schmeicheleien, die sie den Weibern sa¬ gen müssen, den Ton und die Miene der Aufrichtig¬ keit völlig zu benehmen haben, womit die antiken Stutzer sonst ihre Fleuretten versahen. In diese sa¬ tyrischen Schmeicheleien kleidete er seinen Unmuth über Weiber und Höfe. Die Weiber brachten ihn auf, weil sie -- wie er wußte -- in der Liebe nichts suchten als die Liebe, indeß der Mann damit noch höhere, religiöse, ehrgeizige Empfindungen zu ver¬ schmelzen weiß -- weil ihre Regungen nur Eilboten und jede weibliche Hitze nur eine fliegende wäre und weil sie wenn Christus selber vor ihnen dozierte, mit¬ ten aus den größten Rührungen auf seine Weste und seine Strümpfe gucken würden. Die Höfe erzürnten ihn durch ihre Gefühllosigkeit, durch seinen Bruder, durch den Volksdruck, dessen Anblick ihn mit unüber¬ windlichen Schmerzen erfüllte. Daher war seine Reisebeschreibung anderer Länder eine Satyre seines eignen und wie die französischen Schriftsteller unter den Sultanen und Bonzen des Orients einige Zeit
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Tapeten herum) und zu den Goͤttern kaͤme.” Das war bloß ſatyriſche Bosheit. Bekanntlich iſts ſchon ein bewaͤhrter Paragraph in der Aeſthetik aller Ele¬ gants, daß ſie — und iſt mein Bruder in Lyon an¬ ders — den Schmeicheleien, die ſie den Weibern ſa¬ gen muͤſſen, den Ton und die Miene der Aufrichtig¬ keit voͤllig zu benehmen haben, womit die antiken Stutzer ſonſt ihre Fleuretten verſahen. In dieſe ſa¬ tyriſchen Schmeicheleien kleidete er ſeinen Unmuth uͤber Weiber und Hoͤfe. Die Weiber brachten ihn auf, weil ſie — wie er wußte — in der Liebe nichts ſuchten als die Liebe, indeß der Mann damit noch hoͤhere, religioͤſe, ehrgeizige Empfindungen zu ver¬ ſchmelzen weiß — weil ihre Regungen nur Eilboten und jede weibliche Hitze nur eine fliegende waͤre und weil ſie wenn Chriſtus ſelber vor ihnen dozierte, mit¬ ten aus den groͤßten Ruͤhrungen auf ſeine Weſte und ſeine Struͤmpfe gucken wuͤrden. Die Hoͤfe erzuͤrnten ihn durch ihre Gefuͤhlloſigkeit, durch ſeinen Bruder, durch den Volksdruck, deſſen Anblick ihn mit unuͤber¬ windlichen Schmerzen erfuͤllte. Daher war ſeine Reiſebeſchreibung anderer Laͤnder eine Satyre ſeines eignen und wie die franzoͤſiſchen Schriftſteller unter den Sultanen und Bonzen des Orients einige Zeit
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Tapeten herum) und zu den Goͤttern kaͤme.” Das
war bloß ſatyriſche Bosheit. Bekanntlich iſts ſchon
ein bewaͤhrter Paragraph in der Aeſthetik aller Ele¬
gants, daß ſie — und iſt mein Bruder in Lyon an¬
ders — den Schmeicheleien, die ſie den Weibern ſa¬
gen muͤſſen, den Ton und die Miene der Aufrichtig¬
keit voͤllig zu benehmen haben, womit die antiken
Stutzer ſonſt ihre Fleuretten verſahen. In dieſe ſa¬
tyriſchen Schmeicheleien kleidete er ſeinen Unmuth
uͤber Weiber und Hoͤfe. Die Weiber brachten ihn
auf, weil ſie — wie er wußte — in der Liebe nichts
ſuchten als die Liebe, indeß der Mann damit noch
hoͤhere, religioͤſe, ehrgeizige Empfindungen zu ver¬
ſchmelzen weiß — weil ihre Regungen nur Eilboten
und jede weibliche Hitze nur eine fliegende waͤre und
weil ſie wenn Chriſtus ſelber vor ihnen dozierte, mit¬
ten aus den groͤßten Ruͤhrungen auf ſeine Weſte und
ſeine Struͤmpfe gucken wuͤrden. Die Hoͤfe erzuͤrnten
ihn durch ihre Gefuͤhlloſigkeit, durch ſeinen Bruder,
durch den Volksdruck, deſſen Anblick ihn mit unuͤber¬
windlichen Schmerzen erfuͤllte. Daher war ſeine
Reiſebeſchreibung anderer Laͤnder eine Satyre ſeines
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/173>, abgerufen am 22.11.2024.
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