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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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feines Ehrgefühl und Lekture (z. B. Richardsons)
wären verdorben worden.

Ich schäme mich, daß Gustav eine solche Igno¬
ranz in der Liebe hatte, daß er in einigen der besten
Romanen nachsehen wollte, ob er jetzt einen Lie¬
besbrief zu schreiben hätte -- daß ihre Abwesenheit
ihn in Sorgen wegen ihrer Gesinnung und in Ver¬
legenheit über sein Betragen setzte. Denn die Stär¬
ke
der Gefühle macht so gut die Zunge arm und
schwer als der Mangel derselben. Zum Glück hüpf¬
te ihm oft die kleine Laura -- nicht im Park, (denn
nichts macht mehr Dinten- und Kaffeekleckse auf eine
schöne Haut als die schöne Natur) sondern unter vier
Mauern -- entgegen und die Schülerin ersetzte die
Lehrerin.

Die größte Diversion machte seinen Grillen der
Körper, von dem in den Vorzimmern schon so viel
Redens war und der jetzt selber hinein gieng --
Ottomar. Sein erstes Wort zur Residentin war,
"sie sollte ihm verzeihen, daß er nicht eher in ihrem
Vorzimmer erschienen wäre -- er wäre beerdigt wor¬
den und hätte nicht eher gekonnt. Aber er wäre der
erste, der nach dem Tode so bald ins Elysium (hier
sah er schmeichelhaft an den Landschaftsstücken der

feines Ehrgefuͤhl und Lekture (z. B. Richardſons)
waͤren verdorben worden.

Ich ſchaͤme mich, daß Guſtav eine ſolche Igno¬
ranz in der Liebe hatte, daß er in einigen der beſten
Romanen nachſehen wollte, ob er jetzt einen Lie¬
besbrief zu ſchreiben haͤtte — daß ihre Abweſenheit
ihn in Sorgen wegen ihrer Geſinnung und in Ver¬
legenheit uͤber ſein Betragen ſetzte. Denn die Staͤr¬
ke
der Gefuͤhle macht ſo gut die Zunge arm und
ſchwer als der Mangel derſelben. Zum Gluͤck huͤpf¬
te ihm oft die kleine Laura — nicht im Park, (denn
nichts macht mehr Dinten- und Kaffeekleckſe auf eine
ſchoͤne Haut als die ſchoͤne Natur) ſondern unter vier
Mauern — entgegen und die Schuͤlerin erſetzte die
Lehrerin.

Die groͤßte Diverſion machte ſeinen Grillen der
Koͤrper, von dem in den Vorzimmern ſchon ſo viel
Redens war und der jetzt ſelber hinein gieng —
Ottomar. Sein erſtes Wort zur Reſidentin war,
„ſie ſollte ihm verzeihen, daß er nicht eher in ihrem
Vorzimmer erſchienen waͤre — er waͤre beerdigt wor¬
den und haͤtte nicht eher gekonnt. Aber er waͤre der
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[162/0172] feines Ehrgefuͤhl und Lekture (z. B. Richardſons) waͤren verdorben worden. Ich ſchaͤme mich, daß Guſtav eine ſolche Igno¬ ranz in der Liebe hatte, daß er in einigen der beſten Romanen nachſehen wollte, ob er jetzt einen Lie¬ besbrief zu ſchreiben haͤtte — daß ihre Abweſenheit ihn in Sorgen wegen ihrer Geſinnung und in Ver¬ legenheit uͤber ſein Betragen ſetzte. Denn die Staͤr¬ ke der Gefuͤhle macht ſo gut die Zunge arm und ſchwer als der Mangel derſelben. Zum Gluͤck huͤpf¬ te ihm oft die kleine Laura — nicht im Park, (denn nichts macht mehr Dinten- und Kaffeekleckſe auf eine ſchoͤne Haut als die ſchoͤne Natur) ſondern unter vier Mauern — entgegen und die Schuͤlerin erſetzte die Lehrerin. Die groͤßte Diverſion machte ſeinen Grillen der Koͤrper, von dem in den Vorzimmern ſchon ſo viel Redens war und der jetzt ſelber hinein gieng — Ottomar. Sein erſtes Wort zur Reſidentin war, „ſie ſollte ihm verzeihen, daß er nicht eher in ihrem Vorzimmer erſchienen waͤre — er waͤre beerdigt wor¬ den und haͤtte nicht eher gekonnt. Aber er waͤre der erſte, der nach dem Tode ſo bald ins Elyſium (hier ſah er ſchmeichelhaft an den Landſchaftsſtuͤcken der

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/172>, abgerufen am 24.11.2024.