Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.Morgen! In einem solchen Brautschmuck trat die Beaten giengs eben so. Diese sanfte fortvi¬ Morgen! In einem ſolchen Brautſchmuck trat die Beaten giengs eben ſo. Dieſe ſanfte fortvi¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0161" n="151"/> Morgen! In einem ſolchen Brautſchmuck trat die<lb/> Erde nie vor ihn. Es gefiel ihm alles, ſogar Oe¬<lb/> fel, ſogar das Oefelſche Prahlen mit Beatens Lie¬<lb/> be. Das Schickſal hatte heute — den Verluſt <choice><sic>ſei¬<lb/> ſer</sic><corr>ſei¬<lb/> ner</corr></choice> Liebe ausgenommen — keine giftige Spitze, kei¬<lb/> nen eiternden Splitter, den er nicht gleichguͤltig<lb/> in ſeine von der ganzen Seeligkeit <choice><sic>bewohnten</sic><corr>bewohnte</corr></choice> und<lb/><choice><sic>geſpannten</sic><corr>geſpannte</corr></choice> Bruſt gelaſſen haͤtte. So erſetzt oft die<lb/> hoͤchſte Waͤrme die hoͤchſte Kaͤlte oder Apathie; und<lb/> unter der Taͤucherglocke einer heftigen Idee — ſei<lb/> es eine fixe oder eine leidenſchaftliche oder eine wiſ¬<lb/> ſenſchaftliche — ſtecken wir beſchirmt vor dem gan¬<lb/> zen aͤußern Ozean.</p><lb/> <p>Beaten giengs eben ſo. Dieſe ſanfte fortvi¬<lb/> brierende Freude war ein zweites Herz, das ihre<lb/> Adern fuͤllte, ihre Nerven beſeelte und ihre Wan¬<lb/> gen uͤbermahlte. Denn die Liebe ſteht — indeß<lb/> andre Leidenſchaften nur wie Erdſtoͤße, wie Blitze<lb/> an uns fahren — wie ein ſtiller durchſichtiger Nach¬<lb/> ſommertag mit ihrem ganzen Himmel in der See¬<lb/> le unverruͤckt. Sie giebt uns einen Vorſchmack von<lb/> der Seeligkeit des Dichters, deſſen Bruſt ein ewig<lb/> bluͤhendes, toͤnendes, ſchimmerndes Paradies um¬<lb/> faͤngt und der hineinſteigen kann, indeß ſein aͤuſ¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151/0161]
Morgen! In einem ſolchen Brautſchmuck trat die
Erde nie vor ihn. Es gefiel ihm alles, ſogar Oe¬
fel, ſogar das Oefelſche Prahlen mit Beatens Lie¬
be. Das Schickſal hatte heute — den Verluſt ſei¬
ner Liebe ausgenommen — keine giftige Spitze, kei¬
nen eiternden Splitter, den er nicht gleichguͤltig
in ſeine von der ganzen Seeligkeit bewohnte und
geſpannte Bruſt gelaſſen haͤtte. So erſetzt oft die
hoͤchſte Waͤrme die hoͤchſte Kaͤlte oder Apathie; und
unter der Taͤucherglocke einer heftigen Idee — ſei
es eine fixe oder eine leidenſchaftliche oder eine wiſ¬
ſenſchaftliche — ſtecken wir beſchirmt vor dem gan¬
zen aͤußern Ozean.
Beaten giengs eben ſo. Dieſe ſanfte fortvi¬
brierende Freude war ein zweites Herz, das ihre
Adern fuͤllte, ihre Nerven beſeelte und ihre Wan¬
gen uͤbermahlte. Denn die Liebe ſteht — indeß
andre Leidenſchaften nur wie Erdſtoͤße, wie Blitze
an uns fahren — wie ein ſtiller durchſichtiger Nach¬
ſommertag mit ihrem ganzen Himmel in der See¬
le unverruͤckt. Sie giebt uns einen Vorſchmack von
der Seeligkeit des Dichters, deſſen Bruſt ein ewig
bluͤhendes, toͤnendes, ſchimmerndes Paradies um¬
faͤngt und der hineinſteigen kann, indeß ſein aͤuſ¬
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/161 |
Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/161>, abgerufen am 27.07.2024. |