andern tropfen. . . . Wenn ich nun wäre todt ge¬ blieben: so wär' also das, was ich jezt bin, der Zweck gewesen, weswegen ich für diese lichtervolle Erde und sie für mich gebauet war? -- Das wä¬ re das Ende der Scenen? -- und über dem Ende hinaus? -- Freude vielleicht dort -- hier ist, keine, weil eine vergangne keine ist und un¬ sre Augenblicke verdünnen jede gegenwärti¬ ge in tausend vergangne -- Tugend ist eher hier: sie ist über die Zeit -- Unter mir schläft alles; aber ich werd' es auch thun, und wenn ich mir noch dreißig Jahre weiß mache, ich lebe, dann legen sie mich wieder hieher -- die heutige Nacht kömmt' wieder -- ich bleibe aber in meinem Sarg: und dann? . . . wenn ich nun drei Au¬ genblicke hätte, einen zur Geburt, einen zum Leben einen zum Sterben: zu was hätt' ich sie denn, würd' ich sagen? -- alles aber, was zwi¬ schen der Zukunft und Vergangenheit steht, ist ein Augenblick -- wir haben nur drei." . . Gros¬ ses Urwesen -- fieng ich an und wollte beten -- -- du hast die Ewigkeit, . - . aber unter dem Ge¬ danken an den, der nichts als Gegenwart ist, er¬ hält sich kein menschlicher Geist aufrecht, sondern
andern tropfen. . . . Wenn ich nun waͤre todt ge¬ blieben: ſo waͤr' alſo das, was ich jezt bin, der Zweck geweſen, weswegen ich fuͤr dieſe lichtervolle Erde und ſie fuͤr mich gebauet war? — Das waͤ¬ re das Ende der Scenen? — und uͤber dem Ende hinaus? — Freude vielleicht dort — hier iſt, keine, weil eine vergangne keine iſt und un¬ ſre Augenblicke verduͤnnen jede gegenwaͤrti¬ ge in tauſend vergangne — Tugend iſt eher hier: ſie iſt uͤber die Zeit — Unter mir ſchlaͤft alles; aber ich werd’ es auch thun, und wenn ich mir noch dreißig Jahre weiß mache, ich lebe, dann legen ſie mich wieder hieher — die heutige Nacht koͤmmt' wieder — ich bleibe aber in meinem Sarg: und dann? . . . wenn ich nun drei Au¬ genblicke haͤtte, einen zur Geburt, einen zum Leben einen zum Sterben: zu was haͤtt' ich ſie denn, wuͤrd' ich ſagen? — alles aber, was zwi¬ ſchen der Zukunft und Vergangenheit ſteht, iſt ein Augenblick — wir haben nur drei.“ . . Groſ¬ ſes Urweſen — fieng ich an und wollte beten — — du haſt die Ewigkeit, . – . aber unter dem Ge¬ danken an den, der nichts als Gegenwart iſt, er¬ haͤlt ſich kein menſchlicher Geiſt aufrecht, ſondern
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0151"n="141"/>
andern tropfen. . . . Wenn ich nun waͤre todt ge¬<lb/>
blieben: ſo waͤr' alſo das, was ich jezt bin, der<lb/>
Zweck geweſen, weswegen ich fuͤr dieſe lichtervolle<lb/>
Erde und ſie fuͤr mich gebauet war? — Das waͤ¬<lb/>
re das Ende der Scenen? — und uͤber dem Ende<lb/>
hinaus? — Freude vielleicht dort — hier iſt,<lb/>
keine, weil eine <hirendition="#g">vergangne keine</hi> iſt und un¬<lb/>ſre <hirendition="#g">Augenblicke</hi> verduͤnnen jede <hirendition="#g">gegenwaͤrti¬<lb/>
ge</hi> in tauſend <hirendition="#g">vergangne</hi>— Tugend iſt eher<lb/>
hier: ſie iſt <hirendition="#g">uͤber die Zeit</hi>— Unter mir ſchlaͤft<lb/>
alles; aber ich werd’ es auch thun, und wenn<lb/>
ich mir noch dreißig Jahre weiß mache, ich lebe,<lb/>
dann legen ſie mich wieder hieher — die heutige<lb/>
Nacht koͤmmt' wieder — ich bleibe aber in meinem<lb/>
Sarg: und dann? . . . wenn ich nun drei Au¬<lb/>
genblicke haͤtte, einen zur Geburt, einen zum<lb/>
Leben einen zum Sterben: zu was haͤtt' ich ſie<lb/>
denn, wuͤrd' ich ſagen? — alles aber, was zwi¬<lb/>ſchen der Zukunft und Vergangenheit ſteht, iſt ein<lb/>
Augenblick — wir haben nur drei.“ . . Groſ¬<lb/>ſes Urweſen — fieng ich an und wollte beten ——<lb/>
du haſt die Ewigkeit, . – . aber unter dem Ge¬<lb/>
danken an den, der nichts als Gegenwart iſt, er¬<lb/>
haͤlt ſich kein menſchlicher Geiſt aufrecht, ſondern<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[141/0151]
andern tropfen. . . . Wenn ich nun waͤre todt ge¬
blieben: ſo waͤr' alſo das, was ich jezt bin, der
Zweck geweſen, weswegen ich fuͤr dieſe lichtervolle
Erde und ſie fuͤr mich gebauet war? — Das waͤ¬
re das Ende der Scenen? — und uͤber dem Ende
hinaus? — Freude vielleicht dort — hier iſt,
keine, weil eine vergangne keine iſt und un¬
ſre Augenblicke verduͤnnen jede gegenwaͤrti¬
ge in tauſend vergangne — Tugend iſt eher
hier: ſie iſt uͤber die Zeit — Unter mir ſchlaͤft
alles; aber ich werd’ es auch thun, und wenn
ich mir noch dreißig Jahre weiß mache, ich lebe,
dann legen ſie mich wieder hieher — die heutige
Nacht koͤmmt' wieder — ich bleibe aber in meinem
Sarg: und dann? . . . wenn ich nun drei Au¬
genblicke haͤtte, einen zur Geburt, einen zum
Leben einen zum Sterben: zu was haͤtt' ich ſie
denn, wuͤrd' ich ſagen? — alles aber, was zwi¬
ſchen der Zukunft und Vergangenheit ſteht, iſt ein
Augenblick — wir haben nur drei.“ . . Groſ¬
ſes Urweſen — fieng ich an und wollte beten — —
du haſt die Ewigkeit, . – . aber unter dem Ge¬
danken an den, der nichts als Gegenwart iſt, er¬
haͤlt ſich kein menſchlicher Geiſt aufrecht, ſondern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/151>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.