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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Beschreibung schmerzt mich, weil die Möglichkeit
der Wiederholung mich ängstigt. . . Ich stieg aus
der sechseckigen Brutzelle des zweiten Lebens; der
Tod streckte sich vor mir weit hin mit seinen tau¬
send Gliedern, den Köpfen und Knochen. Ich
schien mir unten im chaotischen Abgrund zu stehen
und oben weit über mir zog die Erde mit ihren
Lebendigen. Mich eckelte Leben und Tod. Auf das
was neben mir lag, so gar auf meine Mutter
sah ich starr und kalt wie das Auge des Todes,
wenn er ein Leben zerblickt. Ein rundes Eisengit¬
ter in der Kirchenmauer schnitt aus dem ganzen
Himmel nichts heraus als die schimmernde zerbroch¬
ne Scheibe des Mondes, der als ein himmlisches
Sarglicht auf den Sarg, der die Erde heißet, her¬
unter hieng. Die öde Kirche, dieser vorige Markt
des redenden Gewimmels, stand ausgestorben und
unterminiert von Todten da -- die langen Kirchen¬
fenster legten sich, vom Mond abgeschattet, über
die Gitterstühle hinüber -- an der Sakristei richte¬
te sich das schwarze Todten-Kreuz auf, dieses
Ordenskreuz des Todes -- die Degen und Spo¬
ren der Ritter erinnerten an die zerbröckelten Glie¬
der, die sie und sich nicht mehr bewegten und der

Beſchreibung ſchmerzt mich, weil die Moͤglichkeit
der Wiederholung mich aͤngſtigt. . . Ich ſtieg aus
der ſechseckigen Brutzelle des zweiten Lebens; der
Tod ſtreckte ſich vor mir weit hin mit ſeinen tau¬
ſend Gliedern, den Koͤpfen und Knochen. Ich
ſchien mir unten im chaotiſchen Abgrund zu ſtehen
und oben weit uͤber mir zog die Erde mit ihren
Lebendigen. Mich eckelte Leben und Tod. Auf das
was neben mir lag, ſo gar auf meine Mutter
ſah ich ſtarr und kalt wie das Auge des Todes,
wenn er ein Leben zerblickt. Ein rundes Eiſengit¬
ter in der Kirchenmauer ſchnitt aus dem ganzen
Himmel nichts heraus als die ſchimmernde zerbroch¬
ne Scheibe des Mondes, der als ein himmliſches
Sarglicht auf den Sarg, der die Erde heißet, her¬
unter hieng. Die oͤde Kirche, dieſer vorige Markt
des redenden Gewimmels, ſtand ausgeſtorben und
unterminiert von Todten da — die langen Kirchen¬
fenſter legten ſich, vom Mond abgeſchattet, uͤber
die Gitterſtuͤhle hinuͤber — an der Sakriſtei richte¬
te ſich das ſchwarze Todten-Kreuz auf, dieſes
Ordenskreuz des Todes — die Degen und Spo¬
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[139/0149] Beſchreibung ſchmerzt mich, weil die Moͤglichkeit der Wiederholung mich aͤngſtigt. . . Ich ſtieg aus der ſechseckigen Brutzelle des zweiten Lebens; der Tod ſtreckte ſich vor mir weit hin mit ſeinen tau¬ ſend Gliedern, den Koͤpfen und Knochen. Ich ſchien mir unten im chaotiſchen Abgrund zu ſtehen und oben weit uͤber mir zog die Erde mit ihren Lebendigen. Mich eckelte Leben und Tod. Auf das was neben mir lag, ſo gar auf meine Mutter ſah ich ſtarr und kalt wie das Auge des Todes, wenn er ein Leben zerblickt. Ein rundes Eiſengit¬ ter in der Kirchenmauer ſchnitt aus dem ganzen Himmel nichts heraus als die ſchimmernde zerbroch¬ ne Scheibe des Mondes, der als ein himmliſches Sarglicht auf den Sarg, der die Erde heißet, her¬ unter hieng. Die oͤde Kirche, dieſer vorige Markt des redenden Gewimmels, ſtand ausgeſtorben und unterminiert von Todten da — die langen Kirchen¬ fenſter legten ſich, vom Mond abgeſchattet, uͤber die Gitterſtuͤhle hinuͤber — an der Sakriſtei richte¬ te ſich das ſchwarze Todten-Kreuz auf, dieſes Ordenskreuz des Todes — die Degen und Spo¬ ren der Ritter erinnerten an die zerbroͤckelten Glie¬ der, die ſie und ſich nicht mehr bewegten und der

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/149>, abgerufen am 24.11.2024.