Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.des Lebens-Abends der Abendstern sind und flim¬ Als nun Gustav zu Hause war: setzte er einen des Lebens-Abends der Abendſtern ſind und flim¬ Als nun Guſtav zu Hauſe war: ſetzte er einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0113" n="103"/> des Lebens-Abends der <hi rendition="#g">Abendſtern</hi> ſind und flim¬<lb/> mern und zittern und die Sonne erſetzen . . . . Ich<lb/> mag nicht zu deiner Seelen-Scheide, zum Leichnam<lb/> ſagen, Amandus! liege ſanft: du lagſt in ihr nicht<lb/> ſanft; o noch jetzt dauert mich dein unſterbliches<lb/> Ich, daß es mehr in ſeinem knappen Nerven- als<lb/> im weiten Weltgebaͤude leben mußte, daß es den<lb/> edeln Blick nicht zu Sonnenkugeln aufheben ſon¬<lb/> dern auf ſeine quaͤlenden Blutkuͤgelchen einkruͤm¬<lb/> men und fuͤr die große Harmonie des Makrokoſmus<lb/> ſeltner Wallungen fuͤhlen als fuͤr die Diſharmonie<lb/> ſeines Mikrokoſmus! — Die Kette der Nothwen¬<lb/> digkeit ſchnitt tief in dich ein, nicht bloß ihr <hi rendition="#g">Zug</hi>,<lb/> auch ihr <hi rendition="#g">Druck</hi> fuͤhrte <choice><sic>dich</sic><corr>dir</corr></choice> Narben zu . . . . So<lb/> jaͤmmerlich iſt der Lebendige: wie koͤnnen von ihm<lb/> die Todten ein Andenken verlangen, da er ſchon<lb/> indem er daruͤber redet ermattet . . . .</p><lb/> <p>Als nun Guſtav zu Hauſe war: ſetzte er einen<lb/> Brief an den Doktor auf. Der ringende Kummer,<lb/> worin dieſer ſich an die Pyramide gelehnt und ge¬<lb/> halten hatte, bewegte ihn unausſprechlich: Guſtav<lb/> fiel ihm an dieſe zerſplitterte wunde Bruſt und mehr¬<lb/> te ihre Schmerzen durch ſeinen Liebesdruck, indem<lb/> er ihn im Briefe bat, ihn zum Sohne anzuneh¬<lb/> men und ſein vaͤterlicher Freund zu werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0113]
des Lebens-Abends der Abendſtern ſind und flim¬
mern und zittern und die Sonne erſetzen . . . . Ich
mag nicht zu deiner Seelen-Scheide, zum Leichnam
ſagen, Amandus! liege ſanft: du lagſt in ihr nicht
ſanft; o noch jetzt dauert mich dein unſterbliches
Ich, daß es mehr in ſeinem knappen Nerven- als
im weiten Weltgebaͤude leben mußte, daß es den
edeln Blick nicht zu Sonnenkugeln aufheben ſon¬
dern auf ſeine quaͤlenden Blutkuͤgelchen einkruͤm¬
men und fuͤr die große Harmonie des Makrokoſmus
ſeltner Wallungen fuͤhlen als fuͤr die Diſharmonie
ſeines Mikrokoſmus! — Die Kette der Nothwen¬
digkeit ſchnitt tief in dich ein, nicht bloß ihr Zug,
auch ihr Druck fuͤhrte dir Narben zu . . . . So
jaͤmmerlich iſt der Lebendige: wie koͤnnen von ihm
die Todten ein Andenken verlangen, da er ſchon
indem er daruͤber redet ermattet . . . .
Als nun Guſtav zu Hauſe war: ſetzte er einen
Brief an den Doktor auf. Der ringende Kummer,
worin dieſer ſich an die Pyramide gelehnt und ge¬
halten hatte, bewegte ihn unausſprechlich: Guſtav
fiel ihm an dieſe zerſplitterte wunde Bruſt und mehr¬
te ihre Schmerzen durch ſeinen Liebesdruck, indem
er ihn im Briefe bat, ihn zum Sohne anzuneh¬
men und ſein vaͤterlicher Freund zu werden.
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/113>, abgerufen am 23.07.2024. |