Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.Und mit einer solchen Seele im Gesichte trat -- Ach sein Leben in seinem wurmstichigen Kör¬ Gustav war durch kein Zureden im Trauerhau¬ 2. Theil. G
Und mit einer ſolchen Seele im Geſichte trat — Ach ſein Leben in ſeinem wurmſtichigen Koͤr¬ Guſtav war durch kein Zureden im Trauerhau¬ 2. Theil. G
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Und mit einer ſolchen Seele im Geſichte trat
er aus dem Todtenzimmer in das des Vaters und
ſagte mit irdiſcher Wehmuth im Auge und himmli¬
ſcher Heiterkeit im Angeſicht: „unſer Freund hat
unter der Mondfinſterniß ausgekaͤmpft und iſt dort.“
— Ach ſein Leben in ſeinem wurmſtichigen Koͤr¬
per war ja eine wahre totale Mondfinſterniß; ſein
Austritt aus dem Leben war der Austritt aus dem
Erdſchatten und ſein Verweilen im Schatten nur
kurz.
Guſtav war durch kein Zureden im Trauerhau¬
ſe zu erhalten. Wenn dem Herzen der Koͤrper zu
enge iſt: ſo iſts ihm auch die Stube. Er gieng
(auch noch aus einem andern Grunde) nach Ma¬
rienhof. Unter dem blauen Gewoͤlbe, an dem kry¬
ſtalliſirte Sonnentropfen haͤngen, und unter dem
kaͤmpfenden Monde, der wie er von ſeiner Be¬
ſchattung roth gluͤhte, begegneten ihm Ge¬
danken, die uͤber die menſchlichen Farben erha¬
ben ſind ſo wie uͤber die Erde. Wer in ſolchen
Stunden nicht die Kahlheit dieſes Lebens und das
Beduͤrfniß eines zweiten ſo lebendig fuͤhlt, daß das
Beduͤrfniß feſte Hofnung wird: mit dem ſtreite man
nie uͤber dieſe großen Punkte.
2. Theil. G
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/107>, abgerufen am 16.02.2025. |