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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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starre Freund ohne Bewegung lag ihm gegenüber
-- Amandus war eher als die Mondkugel aus dem
Erdschatten geflogen -- Gustav sah nicht auf
den Todten sondern auf den Mond (in der dichte¬
sten Trauerstunde sieht man vom Gegenstande weg
auf den kleinsten hin): "streife nur hin, Schatten
der Kugel aus Staub, du liegst noch über mir . . .
aber ihn erreicht deine Spitze nicht . . ., alle Son¬
nen liegen nackt vor ihm . . . . o Eitelkeit, o Dunst,
o Schatten, wo ich noch bin" . . . . Plötzlich schlug
die Flötenuhr Ein Uhr und spielte ein Morgen¬
lied des ewigen Morgens, so aufrichtend, so her¬
übertönend aus Auen über dem Mond, so schmer¬
zenstillend, daß die Thränen, unter denen sein
Herz ertrank, den Schmerzensdamm umbrachen
und sanftern, weniger tödtlichen Empfindungen
ein Bette liessen . . . . Es war ihm als läge sein
Körper auch ausgeleert neben dem kalten und seine
Seele flöge auf der breiten durch alle Sonne gehenden
Lichtstraße der vorausgeeilten nach . . . . er sah sie
vorausziehen . . . . er sah durch den Dunst der Paar
Jahre, die zwischen ihr und ihr selber lagen, deut¬
lich hindurch . . . .

Und

ſtarre Freund ohne Bewegung lag ihm gegenuͤber
— Amandus war eher als die Mondkugel aus dem
Erdſchatten geflogen — Guſtav ſah nicht auf
den Todten ſondern auf den Mond (in der dichte¬
ſten Trauerſtunde ſieht man vom Gegenſtande weg
auf den kleinſten hin): „ſtreife nur hin, Schatten
der Kugel aus Staub, du liegſt noch uͤber mir . . .
aber ihn erreicht deine Spitze nicht . . ., alle Son¬
nen liegen nackt vor ihm . . . . o Eitelkeit, o Dunſt,
o Schatten, wo ich noch bin“ . . . . Ploͤtzlich ſchlug
die Floͤtenuhr Ein Uhr und ſpielte ein Morgen¬
lied des ewigen Morgens, ſo aufrichtend, ſo her¬
uͤbertoͤnend aus Auen uͤber dem Mond, ſo ſchmer¬
zenſtillend, daß die Thraͤnen, unter denen ſein
Herz ertrank, den Schmerzensdamm umbrachen
und ſanftern, weniger toͤdtlichen Empfindungen
ein Bette lieſſen . . . . Es war ihm als laͤge ſein
Koͤrper auch ausgeleert neben dem kalten und ſeine
Seele floͤge auf der breiten durch alle Sonne gehenden
Lichtſtraße der vorausgeeilten nach . . . . er ſah ſie
vorausziehen . . . . er ſah durch den Dunſt der Paar
Jahre, die zwiſchen ihr und ihr ſelber lagen, deut¬
lich hindurch . . . .

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[96/0106] ſtarre Freund ohne Bewegung lag ihm gegenuͤber — Amandus war eher als die Mondkugel aus dem Erdſchatten geflogen — Guſtav ſah nicht auf den Todten ſondern auf den Mond (in der dichte¬ ſten Trauerſtunde ſieht man vom Gegenſtande weg auf den kleinſten hin): „ſtreife nur hin, Schatten der Kugel aus Staub, du liegſt noch uͤber mir . . . aber ihn erreicht deine Spitze nicht . . ., alle Son¬ nen liegen nackt vor ihm . . . . o Eitelkeit, o Dunſt, o Schatten, wo ich noch bin“ . . . . Ploͤtzlich ſchlug die Floͤtenuhr Ein Uhr und ſpielte ein Morgen¬ lied des ewigen Morgens, ſo aufrichtend, ſo her¬ uͤbertoͤnend aus Auen uͤber dem Mond, ſo ſchmer¬ zenſtillend, daß die Thraͤnen, unter denen ſein Herz ertrank, den Schmerzensdamm umbrachen und ſanftern, weniger toͤdtlichen Empfindungen ein Bette lieſſen . . . . Es war ihm als laͤge ſein Koͤrper auch ausgeleert neben dem kalten und ſeine Seele floͤge auf der breiten durch alle Sonne gehenden Lichtſtraße der vorausgeeilten nach . . . . er ſah ſie vorausziehen . . . . er ſah durch den Dunſt der Paar Jahre, die zwiſchen ihr und ihr ſelber lagen, deut¬ lich hindurch . . . . Und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/106>, abgerufen am 22.11.2024.