Wäre die Liebe des Rittmeisters von der Art der neuern gigantischen Liebe gewesen, die nicht wie ein herumblätternder Zephyr sondern wie ein schüt¬ telnder Sturmwind die armen dünnen Blümchen umfasset, die sich in den belletristischen Orkan gar nicht schicken können: so wäre das Wenigste was er hätte thun können, das gewesen, daß er auf der Stelle des Teufels geworden wäre; so aber wurd' er bloß -- böse, nicht über den Vater son¬ dern über die Tochter, und nicht darüber daß sie das Schachbrett nicht zum Präsentierteller ihrer Hand und ihres Herzens machte oder daß sie gut gegen ihn spielte, sondern darüber, daß sie sogar gut spielte. So ist der Mensch! -- und ich ersuche den Menschen, meinen Rittmeister nicht auszula¬ chen. Freilich -- hätt' ich die weiblichen Reize und die Rolle der Ernestine gehabt und hätt' ich ihm indeß er seine Kontraapproche aussann, ins betret¬ ne Gesicht geschauet, auf dessen geründetem Mun¬ de der Schmerz über unverdiente Kränkung stand, der so rührend an Männern von Muth aussieht, sobald ihn nicht die Gichtknoten und Hautausschlä¬ ge der Rache verzerren: so wär' ich roth geworden und wäre wahrhaftig gerade zu mit der Königin
Waͤre die Liebe des Rittmeiſters von der Art der neuern gigantiſchen Liebe geweſen, die nicht wie ein herumblaͤtternder Zephyr ſondern wie ein ſchuͤt¬ telnder Sturmwind die armen duͤnnen Bluͤmchen umfaſſet, die ſich in den belletriſtiſchen Orkan gar nicht ſchicken koͤnnen: ſo waͤre das Wenigſte was er haͤtte thun koͤnnen, das geweſen, daß er auf der Stelle des Teufels geworden waͤre; ſo aber wurd' er bloß — boͤſe, nicht uͤber den Vater ſon¬ dern uͤber die Tochter, und nicht daruͤber daß ſie das Schachbrett nicht zum Praͤſentierteller ihrer Hand und ihres Herzens machte oder daß ſie gut gegen ihn ſpielte, ſondern daruͤber, daß ſie ſogar gut ſpielte. So iſt der Menſch! — und ich erſuche den Menſchen, meinen Rittmeiſter nicht auszula¬ chen. Freilich — haͤtt' ich die weiblichen Reize und die Rolle der Erneſtine gehabt und haͤtt' ich ihm indeß er ſeine Kontraapproche ausſann, ins betret¬ ne Geſicht geſchauet, auf deſſen geruͤndetem Mun¬ de der Schmerz uͤber unverdiente Kraͤnkung ſtand, der ſo ruͤhrend an Maͤnnern von Muth ausſieht, ſobald ihn nicht die Gichtknoten und Hautausſchlaͤ¬ ge der Rache verzerren: ſo waͤr' ich roth geworden und waͤre wahrhaftig gerade zu mit der Koͤnigin
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Waͤre die Liebe des Rittmeiſters von der Art
der neuern gigantiſchen Liebe geweſen, die nicht wie
ein herumblaͤtternder Zephyr ſondern wie ein ſchuͤt¬
telnder Sturmwind die armen duͤnnen Bluͤmchen
umfaſſet, die ſich in den belletriſtiſchen Orkan gar
nicht ſchicken koͤnnen: ſo waͤre das Wenigſte was
er haͤtte thun koͤnnen, das geweſen, daß er auf
der Stelle des Teufels geworden waͤre; ſo aber
wurd' er bloß — boͤſe, nicht uͤber den Vater ſon¬
dern uͤber die Tochter, und nicht daruͤber daß ſie
das Schachbrett nicht zum Praͤſentierteller ihrer
Hand und ihres Herzens machte oder daß ſie gut
gegen ihn ſpielte, ſondern daruͤber, daß ſie ſogar
gut ſpielte. So iſt der Menſch! — und ich erſuche
den Menſchen, meinen Rittmeiſter nicht auszula¬
chen. Freilich — haͤtt' ich die weiblichen Reize und
die Rolle der Erneſtine gehabt und haͤtt' ich ihm
indeß er ſeine Kontraapproche ausſann, ins betret¬
ne Geſicht geſchauet, auf deſſen geruͤndetem Mun¬
de der Schmerz uͤber unverdiente Kraͤnkung ſtand,
der ſo ruͤhrend an Maͤnnern von Muth ausſieht,
ſobald ihn nicht die Gichtknoten und Hautausſchlaͤ¬
ge der Rache verzerren: ſo waͤr' ich roth geworden
und waͤre wahrhaftig gerade zu mit der Koͤnigin
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/45>, abgerufen am 11.12.2024.
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